Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto nicht nur viele Kleinigkeiten auf. Das Test-Tagebuch liefert einen Überblick. Der Kandidat: XPeng G6 RWD Long Range.
02.06.2025: Wir haben wieder einen spannenden Kandidaten im Test-Fuhrpark: den XPeng G6 RWD Long Range. XPeng? Schon mal gehört? Na, angesichts der vielen neuen Marken aus dem Reich der Mitte wäre es nicht verwunderlich, wenn nicht. Beginnen wir also mit dem Blick auf die Marke.
XPeng hat vor allem von sich reden gemacht, als VW mit rund fünf Prozent bei dem Unternehmen eingestiegen ist. Seit dem vergangenen Jahr beliefert man auch den deutschen Markt und möchte hier ein flächendeckendes Netz aufbauen. Stand heute gibt es im Bundesgebiet 31 Händlerstandorte. Die Marke gibt auf alle Fahrzeuge eine Garantie von 7 Jahren oder 160.000 km sowie 8 Jahre auf die Hochvoltbatterie. Derzeit werden drei Modelle angeboten; wir haben uns den Mittelklasse-Crossover G6 ausgesucht, der dem kürzlich von uns getesteten BYD Sealion 7 in Größe und auch Form sehr ähnelt.

Der G6 wird seinerseits in drei Varianten angeboten: als Standard Range mit 190 kW und 66 -kWh-LFP-Akku für 43.600 Euro brutto, als Long Range mit 210 kW und 87,5-NMC-Akku für 47.600 Euro sowie als AWD Performance mit 350 kW, dem 87,5-kWh-Akku und einem Preis von 51.600 Euro.
XPeng G6: Voll ausgestattet

Wichtig zu wissen: Die Modelle kommen alle komplett ausgestattet zum Kunden. Die Aufpreisliste besteht nur aus zwei Items, der elektrisch ein- und ausfahrbaren Anhängerkupplung für 1.160 Euro sowie vier aufpreispflichtigen Farben. Ansonsten ist alles an Bord, was man sich wünscht und wofür man bei anderen Marken (man denke an die Listen von Audi und Co.) eine Menge Geld hinblättert. Zum Vergleich: Der Audi Q4 45 e-tron mit 77-kWh-Akku startet bei 52.950 Euro, und mit vergleichbarer Ausstattung reißt er die 60.000-Euro-Grenze deutlich.
Wir sind also mit der mittleren der drei Varianten des G6 unterwegs – und die ersten Eindrücke fallen sehr positiv aus. Ein großes (nicht zu öffnendes) Glasdach sorgt für viel Licht, und die Raumverhältnisse kann man nur als großzügig bezeichnen. Kopffreiheit, Beinfreiheit hinten sowie die Fahrerplatzergonomie fallen üppig aus. In die Bedienung muss man sich indes ein wenig einlesen, denn XPeng verzichtet weitgehend auf Tasten und Schalter. Sogar zur Einstellung der Außenspiegel muss ein Icon im zentralen, 15 Zoll großen Monitor angewählt werden, damit man sie per Lenkradtasten verstellen kann. Wenn wir das erledigt haben melden wir uns wieder.
04.06.2025: Wir haben nun etliche Kilometer im Xpeng G6 hinter uns und auch schon unsere Verbrauchsrunde gedreht. Doch dazu gleich mehr.

Zunächst gilt es zu berichten, dass das Fahrwerk eher komfortabel abgestimmt ist, auch wenn im Sportmodus die vollen 210 kW von jeder Elektronik unbehindert an den Hinterrädern zerren und eine gewisse Sportlichkeit Einzug hält. Keine Frage: Mehr Power braucht es eigentlich nicht. Zudem gibt es noch die Fahrmodi Standard und Eco sowie einen individuell konfigurierbaren Modus – alles einstellbar über den Monitor.
Das gilt auch für die Rekuperation, die sich in vier Stufen einstellen lässt. Im niedrigsten segelt der G6, die stärkste namens X-Pedal bremst ab bis zum Stehen. Leider gibt es keine Pedals hinter dem Lenkrad, um die Stärke situativ zu nutzen.
Beim Einsteigen kommt der/die Fahrer/in in den Genuss eines Sitzes, der nach hinten gefahren ist und sich dann in die zuvor eingestellte Position schiebt. Das Lenkrad lässt sich axial weit verstellen, so dass jeder die optimale Position finden sollte. Was schon nach einigen Metern auffällt ist die Einblendung des toten Winkels beim Abbiegen auf dem zentralen Monitor – eine Art virtuellen Schulterblicks, den man bislang nur von Hyundai kennt.

Insgesamt wachen 24 Assistenzsysteme über das Wohl der Insassen, die meisten davon hat XPeng dank eigenem Betriebssystem und NVIDIA-Prozessoren selbst entwickelt. Genutzt werden fünf Radaraugen, zwölf Ultraschallsensoren und ebenso viele Kameras. Was fehlt und was es auch nicht gegen Geld und gute Worte gibt, ist ein Head-up-Display.
Doch nun zum Verbrauch: Bei ruhiger Fahrweise erscheint regelmäßig eine 15 vor dem Komma der Verbrauchsanzeige. Auf unserer 100 Kilometer langen Verbrauchsrunde mit 50 Prozent Autobahnanteil maßen wir einen Konsum von 16,1 kWh – sehr beachtlich, wenn auch unter optimalen Temperaturbedingungen von 21 bis 25 Grad erfahren.
So kann es durchaus sein, dass der G6 die nach dem Vollladen anvisierten 570 Kilometer Reichweite schafft. Und auch das wäre beachtlich.

06.06.2025: Lasst uns über Größe reden. Mit 4,75 Metern Länge und einer Breite von 1,92 Metern (ohne Rückspiegel) zählt der G6 zur automobilen Mittelklasse und bietet – nicht ungewöhnlich für einen Stromer – den Passagieren ordentlich Platz. Über das Raumgefühl auf dem Fahrersitz haben wir ja berichtet, aber auch dahinter geht es so großzügig zu, dass auch Menschen mit mehr als einer Körpergröße von 190 Zentimeter dort auskömmliche Platzverhältnisse vorfinden. Zudem lässt sich die Rücksitzlehne in der Neigung verstellen, verschieben lässt sie sich nicht.
Noch weiter hinten bietet der Laderaum ein Volumen von 571 bis 1.374 Liter sowie ein weiteres Fach unter dem Ladeboden. Leider gibt es im Laderaum keine Zurrösen zur Ladungssicherung; auch ein Trennnetz kann im Dachhimmel nicht arretiert werden. Hier sollte XPeng nachbessern. Auch einen Frunk gibt es nicht. Die Anhängelast gibt die Marke an mit 1.500 kg (gebremst) an, ungebremst sind es 750 kg. Dachlast sowie Stützlast betragen 75 kg.

Der G6 verzichtet auf das Handschuhfach und bietet stattdessen eine große Staubox zwischen den Vordersitzen sowie eine Ablage in der Mittelkonsole für Kleinkram. Die Türtaschen sind etwas zu klein geraten und nehmen keine Ein-Liter-Flaschen auf. In der Mittelkonsole befinden sich bestens erreichbar gleich zwei induktive Ladeschalen mit insgesamt 50 W Ladeleistung inklusive Belüftung für Smartphones. Freilich kann das Telefon gleich mit der Bluetooth-Freisprecheinrichtung oder via Apple CarPlay oder Android Auto kabellos gekoppelt werden. Der Türöffner funktioniert elektrisch.
Einen durchweg guten Eindruck hinterlässt die Materialqualität sowie die Verarbeitung. Billiges Plastik gibt es höchstes außerhalb des sichtbaren Bereichs; der Innenraum ist wertig gestaltet, einzig der Mitteltunnel besteht aus Hartplastik, was aber der Wohnlichkeit keinen Schaden zufügt. Angesichts des günstigen Preises ist kein Sparzwang zu erkennen.
Was noch zu erwähnen wäre: XPeng spendiert dem G6 serienmäßig eine Soundanlage mit 18 Lautsprechern und 960 Watt Leistung.
10.06.2025: Zum Thema Bedienung kann man bei modernen Pkw ja mittlerweile ganze Bücher schreiben, so komplex gestaltet sich die Software. So auch im G6: Auch er setzt auf ein Konzept weitgehend ohne Tasten und Schalter, was wir immer ein wenig bedauern, denn das Touchen auf dem Bildschirm lenkt trotz großer Flächen gehörig ab.

Das gilt zwar nicht für die Einstellung der Außenspiegel über die Tasten und Rollen am Lenkrad, sofern man dies im Monitor aktiviert hat, doch schon die Bedienung der Klimatisierung erfordert so manchen Touch-Aufwand. So lässt sich auch die Ausstrom-Richtung der Düsen ausschließlich elektronisch einstellen.
Praktisch: Online-Tutorials
Grundsätzlich lassen sich viele Einstellungen auch per Sprachsteuerung vornehmen, diese zeigte bisweilen aber recht wenig Verständnis, da sie auf bestimmte Formulierungen trainiert ist.
Schnellzugriff zu Grundfunktionen wie Kofferraum öffnen, Kindersicherung oder eben Spiegeleinstellung gibt es über ein Pull-Down-Menü, das erscheint, indem man von oben nach unten über das Display streicht. Ungewöhnlich ist die Einstellmöglichkeit der Temperatur und Gebläsestärke über die linken Lenkradtasten und die Rolle. Ohnehin sind die Tasten am Lenkrad mehrfach belegt und es gibt noch weitere Funktionen, die sich bei langem Druck der Rollen aufrufen lassen. Etwas Übersicht schafft die Split-Screen-Funktion: Zwei Inhalte lassen sich gleichzeitig auf dem Display visualisieren, wobei die Breite des Fensters und die Anordnung konfigurierbar sind.

Gut gelöst ist das „Euro-Klingeln“. Fährt man zu schnell poppt eine Meldung auf, über die man den Warnton für die Fahrt ausschalten kann. Alternativ geht das auch über das zuvor erwähnte Schnellwahl-Menü.
Dennoch fehlt es bisweilen an Übersichtlichkeit: Verwirrung stiften seltsame Einstellungsmöglichkeiten wie die Empfindlichkeit des Regensensors, die beispielsweise unter Menüpunkt „Fenster und Türen“ gelistet ist.
Der Fahrzeugschlüssel besitzt keine Keyless-Go-Funktion. Dies funktioniert über die App, über die das Auto eine Annäherung erkennt und das Fahrzeug öffnet. Den elektronischen Schlüssel kann man auch an andere Nutzer versenden.
Im Gegensatz zu anderen Herstellern ist sich XPeng aber der Komplexität der Aufgabe bewusst, sich in diese Materie einzuarbeiten und stellt deswegen online diverse Tutorials zur Verfügung, die diverse Bedienvorgänge erläutern. Gute Idee.

11.06.2025: Kommen wir nun zu einer Stärke des XPeng G6, dem HPC-Laden. Laut Datenblatt soll das 800-Volt-System eine Ladeleistung von bis zu 280 kW zulassen.
Zunächst aber gilt es, die richtigen Ladestationen zu finden. Das kann man per Sprachbefehl erledigen oder Ziele klassisch auf dem Display suchen. Wir entschieden uns für den Sprachbefehl und ließen uns die umliegenden EnBW-Schnellladesäulen anzeigen. Das klappte gut. Ist das Ziel aktiviert, wird die Entfernung sowie die Restkapazität des Akkus bei Ankunft angegeben. Für die Langstrecke besitzt das System eine Ladeplanung, bei der man einstellen kann, mit welcher Restreichweite man an einer Säule ankommen möchte.
Im Gegensatz zum BYD Sealion verfügt der G6 über eine Akkuklimatisierung, die sich entweder mit der Eingabe eines Schnellladers aktiviert, oder man kann sie manuell einschalten.

Wir bevorzugten die Aktivierung per Navigation und fuhren gut 20 Minuten bis zur Säule, die wir mit einem Rest-SoC von 14 Prozent erreichten. Bei 20 Grad Außentemperatur sollte dies für eine gut temperierte Batterie ausreichen. Dennoch erreichten wir nicht die Maximalleistung von 280 kW – bei 242,4 kW war Schluss. Was aber auch kein Beinbruch darstellt, denn die durchschnittliche Ladezeit lag auch so bei nur 21 Minuten von 15 auf 80 Prozent SoC.
Im Display hinter dem Lenkrad kann man den Ladestand gut verfolgen; dort werden alle Daten angezeigt. Wer sich entspannen möchte kann sich Meditationsmusik vorspielen oder in Schlafposition (mit Weckmöglichkeit) bringen lassen – doch wie gesagt: Viel Zeit bleibt dafür nicht.
Der Durchschnitt der Ladeleistung lag letztlich bei 142,8 kW. Zum Vergleich: Der BYD Sealion 7 erreichte einen Durchschnitt von 111 kW.
Add a Comment