Vorsicht beim Abschleppen von Elektroautos. Es drohen teure Schäden. Wir geben einen Überblick, was man tun darf – und was nicht.
Elektroautos unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von Verbrennern. Das gilt auch für den Pannenfall oder einen Unfall, nach dem das Auto nicht mehr fahrbereit ist. Denn das Abschleppen von Elektroautos ist deutlich komplexer und risikoreicher als bei konventionellen Fahrzeugen. Während Benziner und Diesel in Notlagen relativ unkompliziert mit Seil oder Stange abgeschleppt werden können, gelten für Elektrofahrzeuge zahlreiche Besonderheiten und strenge Vorgaben, um kostspielige oder sogar sicherheitskritische Schäden zu vermeiden.
Beim klassischen Abschleppen dreht sich bei ausgeschaltetem Fahrzeug der Elektromotor mit und wirkt dabei wie ein Generator. Es entstehen Induktionsspannungen in der Antriebseinheit – die Bordelektronik kann diese bei deaktiviertem Hochvoltsystem nicht verarbeiten. Dies kann im schlimmsten Fall zu Schäden an der Steuerungselektronik, an Wechselrichtern oder sogar an der Batterie führen. Oft fehlen bei Elektroautos außerdem eine echte Leerlauffunktion und mechanische Trennungen, was die Gefahr für Überströme oder Überspannungen noch steigert. Besonders Modelle mit Allrad- oder Direktantrieb sind gefährdet.
Was darf man nicht tun?
- Nicht einfach abschleppen: Bei den meisten E-Autos ist das klassische Abschleppen mit Seil oder Stange komplett verboten.
- Nicht rollen lassen: Auch mit Schieben oder mit abgeschaltetem Bordnetz ist Vorsicht geboten – es droht unkontrollierte Stromerzeugung.
- Nicht entgegen Herstellervorgaben handeln: Die Betriebsanleitung muss unbedingt befolgt werden; sonst drohen Garantieverlust und Versicherungsausschluss.
- Keine eigenen Rettungsversuche: Unsachgemäßes Vorgehen kann gefährliche Restspannungen erzeugen und im Extremfall lebensgefährlich sein.
Worauf ist unbedingt zu achten?
- Herstellervorgaben prüfen: Jedes Elektroauto-Modell weist spezielle Regelungen auf. Einige besitzen einen Neutral- oder Abschleppmodus; andere schließen das Abschleppen strikt aus. Diese Angaben finden sich ausschließlich in der Bedienungsanleitung.
- 12-Volt-Batterie beachten: Wenn sie leer ist, blockierten bei vielen Modellen die Fahrmodi, die Lenkung oder die Batterie-Kontaktoren. Nur wenn Bordstrom vorhanden ist, können eventuelle Neutralstellungen gewählt oder die Servolenkung aktiviert werden.
- Neutral-/Abschleppmodus aktivieren:
- Manche Modelle (z. B. Tesla) haben einen eigenen „Abschlepp-Modus“.
- Fehlt dieser, ist meist ein Abschleppen verboten.
- Über das Cockpit lässt sich bei einzelnen Herstellern (VW, BMW i3) ein Neutralgang einlegen, aber meist nur für sehr kurze Strecken (bis 50 km und max. 50 km/h empfohlen).
- Abschleppwagen bevorzugen: Der sicherste Weg ist der Transport auf einem Abschleppwagen, bei dem das Fahrzeug komplett aufgeladen wird und kein Rad rollt. Dies schützt das Hochvolt-System und ist von allen namhaften Herstellern freigegeben. Beim Verladen ist darauf zu achten, dass Hebepunkte und Unterbodenbatterie nicht beschädigt werden.
- Spezielle Situationen:
- Allradfahrzeuge: Bei mehreren Motoren ist das Abschleppen fast immer untersagt.
- Unfall/Defekt: Nach Kollisionen kann Restspannung an der Batterie bestehen – Bergung immer durch Fachkräfte durchführen lassen.
- Blockierte Räder: Ist Steuern oder Schieben unmöglich, hilft nur das Anheben oder ein Transporter.
Was kann bei Missachtung passieren?
- Schäden an der Leistungselektronik und am Motor.
- Kurzschluss und Defekt des Hochvoltspeichers (wirtschaftlicher Totalschaden möglich).
- Garantieverlust und Haftungsausschluss durch den Hersteller. Im Extremfall drohen Gefahr durch Stromschläge oder Brand. Für Versicherungsleistung und Rücktransport gelten je nach Pannenhelfer, Haftpflicht- oder Kfz-Schutzbrief zusätzliche Einschränkungen.
Fazit: Das Abschleppen von Elektroautos ohne Spezialwissen und Beachtung der Herstellervorgaben kann zu schwerwiegenden technischen und finanziellen Schäden führen. Die sicherste Methode ist der Transport auf einem Abschleppwagen, auf dem alle vier Räder ruhen. Moderne Assistenzsysteme, fehlende Trennung zwischen Motor und Rädern sowie Hochvolt-Batterien machen Eigenversuche und improvisierte Lösungen besonders riskant. Die wichtigsten Hinweise dazu liefern immer die Bedienungsanleitung und Fachkräfte aus dem Pannendienst. Titelfoto: KI-generiert
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