Elchtest

Der Elchtest und das Elektroauto

25 Jahre Elchtest: Das Elektroauto stellt die Sicherheitsingenieure vor neue Herausforderungen. Nicht nur beim Akku.

25 Jahre ist es nun her, dass die Mercedes A-Klasse kurz nach der Markteinführung bei dem seither so genannten Elchtest auf der Seite lag. Die Entwicklung und der inzwischen sogar zwingend vorgeschriebene Einbau des Elektronischen Stabilitätsprogramms (ESP) ist just auf diesen Zwischenfall zurückzuführen. Woher kommt der Name Elchtest?

Im Oktober 1977 kippte die Mercedes A-Klasse im Test bei einem schnellen Ausweichmanöver um – in Schweden. Dort kann nun einmal ein Elch auf der Straße stehen. Wäre die A-Klasse bei einem Test in Irland gekippt, würden wir heute vielleicht von einem Schaftest sprechen. Andere Länder, andere Tiere, die plötzlich auf der Fahrbahn sein können. Wie dem auch sei, der Elchtest hat auf alle Fälle dafür gesorgt, dass die Autos seither deutlich sicherer ausgestattet sind als zuvor. Denn das ESP wird inzwischen in jedem Pkw verbaut, ist seit 2011 sogar gesetzlich vorgeschrieben für alle Neuzulassungen von Pkw in Europa.

ESP im Elektroauto

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Historisches Foto der damaligen ersten A-Klasse (W168) beim so genannten Elchtest einer schwedischen Fachzeitung. Fotos: Mercedes

Damit selbstverständlich ebenso für E-Autos. Bei denen kommt dem ESP eine ganz besondere Bedeutung zu. Schließlich stabilisiert ESP das Fahrzeug durch gezielte und blitzschnelle Bremseingriffe an einzelnen Rädern. Elektrofahrzeuge reduzieren die Geschwindigkeit ebenso wie Hybridmodelle allerdings nicht nur über das Bremspedal, sondern erst einmal über das Rekuperieren. „Dabei schaltet der Elektromotor auf Generatorbetrieb um. Die Räder übertragen die Bewegungsenergie über den Antriebsstrang zum Generator. Der dreht sich und wandelt dadurch einen Teil der Bewegungsenergie in elektrische Energie um. Das Bremsmoment des Elektromotors, das bei der Energieerzeugung entsteht, verzögert das Fahrzeug. Sollte mehr Bremsleistung nötig sein, wird zusätzlich über die Radbremse verzögert. Die Aufteilung zwischen Generator und Bremssystem sowie die Stabilität des Fahrzeugs, auch bei hoher Rekuperation, muss das Bremsregelsystem immer unter Kontrolle haben“, erklärt Christian Böhm, zuständig für Bremsregelsysteme & Fahrdynamikfunktionen bei Mercedes.

Wichtig ist die Abstimmung

Gerade auf nasser oder schneeglatter Fahrbahn sei es immens wichtig, die richtige Abstimmung und Auslegung zu finden. „Wir sind da besonders stolz auf das 2020 in die Serie gebrachte Two-Box-System. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus ESP und einem elektromechanischen Bremskraftverstärker, der vor allem für Elektroautos unverzichtbar ist. Hier fehlt der sonst übliche Unterdruck, der vom Verbrennungsmotor erzeugt und zum herkömmlichen Bremskraftverstärker geleitet wird. Der schnelle Bremsdruckaufbau des Systems ermöglicht unter anderem einen kurzen Bremsweg bei einer automatischen Notbremsung“, betont Böhm. Je nach Fahrsituation könne so automatisch der flexible Wechsel zwischen hydraulischem Bremsen und Rekuperation gesteuert werden, um gleichwohl immer die beste Energierückgewinnung zu erzielen. Dadurch sei häufiger die maximale Rekuperationsleistung zu erreichen als mit einem konventionellen, rein hydraulischen Bremssystem.

Die Rolle der Hinterachslenkung

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Ganz wichtig ist aber der Schutz bei einem Seitencrash.

Doch genug der Theorie: Auf der Nassfläche mit unterschiedlichen Fahrbahneigenschaften unter den rechten und linken Rädern (einmal Asphalt, einmal glatte Fliesen) wird deutlich, wie souverän sich der Mercedes mit dieser Technik – in diesem Fall der EQE – ohne große Lenkeingriffe in der Spur halten lässt. Böhm weist in diesem Zusammenhang auf die 2020 von Mercedes in Serie gebrachte Kombination aus Bremsregelsystem und Hinterachslenkung hin. „Dieser neuartige Ansatz in der Regelungstechnik ermöglicht die aktive Darstellung des gewünschten Fahrverhaltens im Normalbereich und die Stabilisierung des Fahrzeugs im Grenzbereich.“ Der Experte ist sicher, dass hier noch großes Potential für die Zukunft liege. Um das auszuschöpfen, will Mercedes die Software für die Bremsregelsysteme mehr und mehr selbst entwickeln.

Wie sind HV-Systeme geschützt?

Ein weiterer wichtiger Aspekt in Sachen Sicherheit bei E-Fahrzeugen ist der Schutz und die Crashsicherheit der Hochvoltbatterien. Einerseits dürfen die im kompletten Fahrzeugboden untergebrachten Akkus keinen Schaden nehmen. Auf der anderen Seite muss das HV-System – HV-Komponenten sind außer der Batterie alle Komponenten mit einer Spannungslage von mehr als 60 Volt – bei einem schweren Unfall sekundenschnell abgeschaltet werden.

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Gerade auf nasser oder schneeglatter Fahrbahn sei es immens wichtig, die richtige Abstimmung und Auslegung zu finden.

Da im Vorderwagen ein großer Motorblock zum Auffangen eines Teils der Aufprallenergie fehlt, müssen hier andere Strukturen geschaffen werden. Am Beispiel des EQS wird deutlich, dass Längs- und Querträger entsprechend verändert beziehungsweise weitere eingezogen wurden. Ganz wichtig ist aber der Schutz bei einem Seitencrash und dabei vor allem bei einem denkbaren Aufprall gegen einen Baum, einen Laternenmast oder eine Hausecke. Dann nämlich konzentriert sich die Crashenergie auf einen relativ kleinen Bereich. Um den Akku auch bei diesem Szenario zu schützen, wurden die Seitenschweller verstärkt. Das Batteriegehäuse ist zudem so konzipiert, dass Verformungen ausgeschlossen werden können, verspricht Mercedes. Selbst die Zellen im Akku seien so angesiedelt, dass es bei massiven äußeren Krafteinwirkung auf das Auto kein Problem gebe.

Was passiert mit den Akkus?

Dass die stromführenden Komponenten bei E-Autos nach einem Unfall eine Gefahrenquelle bedeuten können, ist nachvollziehbar. Zur Vermeidung von Stromschlägen und hochenergetischen Kurzschlüssen hat Mercedes ein mehrstufiges Hochvolt (HV)-Sicherheitskonzept entwickelt. Erkennen die Sensoren im Fahrzeug einen gefährlichen Aufprall, schaltet das Pyrofuse-Sicherungssystem das HV-System innerhalb von fünf Sekunden automatisch ab. Außerdem, so betont der Hersteller, achten die Konstrukteure darauf, dass alle HV-Elemente so weit wie möglich in geschützten Fahrzeugbereichen positioniert werden.

Luftschlauch zwischen den Sitzen

Einen besonderen Schutz gibt es zudem für Fahrer und Beifahrer bei einem möglichen Seitencrash. Zwischen den beiden Vordersitzen ist unsichtbar für die Insassen das Airbag-Steuergerät platziert. In dem kleinen gelben Kasten ist jede Menge Technologie untergebracht. So wird hier registriert, wenn die seitliche Radarüberwachung des Autos einen möglichen Seitencrash erkennt. Um die Person auf dem entsprechenden Vordersitz ein wenig aus der Gefahrenzone zu bringen, wird ein in die Sitzwange eingelassener Luftschlauch aufgeblasen, der den betroffenen Mitfahrer ein paar Zentimeter in Richtung Innenraum schubst. Das Gute daran: Kommt es nicht zu dem befürchteten Unfall oder lediglich zu einem leichten Touchieren, muss lediglich eine Patrone ausgewechselt werden. Der im Sitz nicht zu erkennende Luftschlauch lässt sich anders als ein herkömmlicher Airbag mehrfach nutzen.

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