Pleitewelle

Die große Pleitewelle bei den E-Auto-Bauern

Viele neue Marken tummeln sich auf dem E-Auto-Markt, aber die Pleitewelle rollt. Ein Überblick.

An Tesla orientieren sich viele, doch nur wenige Newcomer haben es bislang geschafft, sich zu einem mehrere hundert Milliarden Dollar schweren Konkurrenten aufzublähen. Teslas Erfolgsgeschichte könnte eine Ausnahme bleiben. Dutzende neuer Elektroauto-Start-ups wurden in den 2010er-Jahren mit der Vision gegründet, es den Amerikanern gleichzutun. Bisher mit übersichtlichem Erfolg.

Ganz im Gegenteil. In der jüngeren Vergangenheit mussten zunächst kleine Start-ups die Segel streichen. Dann folgte eine Pleitewelle von hoffnungsvollen Newcomern, die sogar mit großen Investoren, Fabriken und echten Autos aufwarten konnten. Inzwischen sind auch vermeintlich gut finanzierte Marken, die mit seriösen Autos am Markt vertreten sind, dünnhäutig geworden. Weitere Pleiten, Übernahmen und Konsolidierungen zeichnen sich ab.

Pleitewelle
Schaffte es nicht mehr auf den Markt: Sono Sion. Foto: Sono Motors

Eine erste prominente Pleitewelle folgte im Schatten der 2022 eingeleiteten Zinswende, die klassische Anlageformen wieder attraktiver und Kredite teuer machte. Chronisch unterfinanzierte Newcomer bekamen dies als erste zu spüren und hatten schnell Probleme, an frisches und günstiges Geld zu kommen. Uniti in Schweden eröffnete 2022 den Pleite-Reigen, 2023 folgten beispielsweise Lightyear in den Niederlanden und Sono Motors in Deutschland. Eine zweite Chance dürfte es für diese Projekte nicht mehr geben.

Pleitewelle: Erst Uniti, dann Lightyear

Aber auch finanzstarke Newcomer, die von Großkonzernen finanziell unterstützt wurden, gerieten schnell in Schieflage. Wie der 2019 vom chinesischen Mischkonzern Evergrande übernommene Saab-Nachfolger NEVS in Schweden, der vor rund einem Jahr in den „Winterschlaf“ versetzt wurde. Ende 2023 soll allerdings ein internationaler Investor eingestiegen sein, der die unter Evergrande-Regie entwickelte Elektro-Limousine Emily GT vielleicht doch noch zur Marktreife entwickeln kann.

Auch bei den Nutzfahrzeugen hat es inzwischen einige Newcomer erwischt. Der Pick-up-Hersteller Lordstown Motors, der mit dem taiwanesischen Computerteilekonzern Foxconn verbandelt ist, meldete im vergangenen Sommer Insolvenz an. Die Konkursmasse wurde inzwischen von Lordstown-Gründer Steve Burns aufgekauft, der Anfang 2024 mit Land X ein Nachfolgeunternehmen gründete. Der Kleintransporterhersteller Arrival aus England, an dem Hyundai und UPS beteiligt waren, musste Anfang 2024 Insolvenz anmelden. Wenige Wochen zuvor hatte es Volta Trucks erwischt, obwohl DB Schenker den Schweden mit einem Auftrag über rund 1.500 Elektro-Lkw ein eigentlich gutes Geschäft in Aussicht gestellt hatte.

Auch bei den Nutzfahrzeugen kriselt es

Auch Elektroauto-Projekte wie Hopium aus Frankreich sowie WM Motor und Byton aus China sind inzwischen insolvent. Finanzielle Probleme zeichnen sich auch bei den chinesischen Autoherstellern Aiways und HiPhi ab, die offiziell auch in Deutschland vertreten sind. Gerade in China ist das Marktumfeld extrem schwierig geworden. Hier tummeln sich mittlerweile hunderte von Automarken, die um die Gunst der Käufer buhlen. Kleine Nischenanbieter stoßen hier bei geringen Absatzzahlen schnell an ihre finanziellen Grenzen.

Zu den großen Verlustbringern der schönen neuen E-Mobilität gehört auch die US-Marke Rivian. Allein in den Jahren 2022 und 2023 hat der Konzern pro Quartal zwischen 1,3 und 1,8 Milliarden US-Dollar an Nettoverlusten ausgewiesen. Laut einer Analyse von Sean McLain vom Wall Street Journal bieten die Autos von Rivian zwar viel Technik, die aber auch viel kostet. Rivian, an dem unter anderem Amazon beteiligt ist, musste laut Analysten im vierten Quartal 2023 für jedes verkaufte Fahrzeug einen Verlust von mehr als 43.000 Dollar hinnehmen.

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Börsenwunder mit hohen Verlusten: Rivian. Foto: Rivian

Dabei wurde Rivian 2021 als das „Tesla für Pick-ups“ und als neues Börsenwunder gefeiert. Bei seinem Börsendebüt 2021 konnte das Unternehmen 12 Milliarden Dollar einnehmen und überholte zwischenzeitlich Autoriesen wie Ford beim Unternehmenswert. Mittlerweile ist der Aktienkurs jedoch stark unter Druck geraten und allein seit Dezember von rund 22 auf aktuell 10 Euro gefallen. Der Ausgabepreis der Aktie im Jahr 2021 lag bei 78 Dollar. Immerhin gibt es Hoffnung, dass Rivian auf dem richtigen Weg sein könnte, denn eine Volumenbaureihe steht in den Startlöchern und auch die Verkaufszahlen sind im vergangenen Jahr kräftig gestiegen. Mehr als 50.000 Autos konnte das Unternehmen 2023 ausliefern. Im Vorjahr waren es noch rund 20.000. Dass aus Verlusten Gewinne werden, scheint zumindest nicht ausgeschlossen.

Apple hat sich zurückgezogen

Auch Apple musste erfahren, dass man bei einem Einstieg in den Automobilbau enorme Summen verbrennen kann. Erst vor wenigen Wochen verabschiedete sich der Technologiekonzern endgültig von seinem Autoprojekt. Rund zehn Jahre lang hatte der iPhone-Hersteller an einem eigenen Zukunftsauto getüftelt, in dessen Entwicklung laut einem Bericht der New York Times rund zehn Milliarden Dollar geflossen sind. Trotz des großen Konzerns, der vielen Mitarbeiter und der gigantischen Investitionen ist es Apple nicht gelungen, ein eigenes Hightech-Mobil im Alleingang zu entwickeln. Mit einem Partner aus der Automobilindustrie wäre das sicher einfacher gewesen. Wohl auch deshalb kursieren inzwischen Gerüchte, dass Apple angesichts des derzeit niedrigen Aktienkurses Rivian übernehmen könnte.

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Sucht nach einem Partner: Fisker. Foto: Fisker

Sogar ganz offen spricht Fisker über einen möglichen Einstieg eines Partners. Seit vergangenem Jahr ist die Automarke mit dem Elektro-SUV Ocean auf dem Markt, von dem bislang allerdings nur wenige tausend Exemplare gebaut und verkauft wurden. In seiner kürzlich veröffentlichten Jahresbilanz 2023 wies Fisker Verluste in dreistelliger Millionenhöhe aus und sprach unter anderem von einer möglichen Insolvenz. Die Entwicklung neuer Modelle wie des Pick-ups Alaska wurde deshalb auf Eis gelegt. Frisches Kapital für den Fortbestand der Marke erhofft sich Fisker vom Einstieg eines etablierten Autoherstellers, bei dem es sich nach jüngsten Medienberichten um Nissan handeln soll.

Bleibt der US-Autobauer Lucid Motors, bei dem unter anderem ein saudi-arabischer Staatsfonds Milliarden investiert hat, um ihn zum neuen Tesla zu machen. Das einzige Modell, die Elektrolimousine Air, wurde von Testern hoch gelobt. Im Werk in Arizona wurden im vergangenen Jahr rund 8.400 Autos gebaut, von denen 6.000 an Kunden ausgeliefert wurden. In der Jahresbilanz 2023 weist Lucid einen Nettoverlust von 2,8 Milliarden Dollar aus. Bereits erfolgte Preissenkungen sollen den Absatz des Air ankurbeln, zudem folgt mit dem Gravity ein verkaufsstarkes SUV-Modell. Für das laufende Jahr sind noch Verluste einkalkuliert. SP-X/Titelfoto: Lightyear

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