Ölwirtschaft und das Potenzial der Technologie: Warum die E-Mobilität die Antworten für die Zukunft liefert – der Verbrenner aber nicht.
Der Streit um den Wandel der Mobilität weg vom Verbrenner und hin zur Elektromobilität wird mit einer guten Prise Engstirnigkeit geführt. Dabei wird ein großes Themenfeld weitgehend unterschlagen – besser gesagt zwei. Da ist zum einen das Thema „Weg vom Öl“. Mit der E-Mobilität könnten wir uns ein gutes Stück aus der Ölwirtschaft befreien; schließlich wurden und werden nicht wenig Kreise um das schwarze Gold geführt, wie man zuletzt an Trumps Aggressionen gegen Venezuela feststellen kann.
Zudem ist die Exploration, die Raffinierung, vor allem aber der wiederholte Transport mit Umweltprobleme und enormen CO2-Ausstößen belastet – und das, bevor auch nur ein Tropfen Kraftstoff in die Tanks fließt.
Was aber vor allem vergessen wird: Die Technologie des Verbrenners ist ausentwickelt, hier sind keine Verbesserungspotenziale mehr zu heben. Ganz im Gegensatz zur E-Mobilität. Werfen wir also mal einen Blick in die (nähere) Zukunft:
Elektroautos werden künftig in wenigen Minuten geladen, können Haushalte mit Strom versorgen und dabei sogar zusätzlich Geld einbringen. Für das batteriebetriebene Auto entwickelt sich damit eine neue Rolle – eine, die weit über die reine Funktion als Fortbewegungsmittel hinausgeht.
Das Laden wird sich wandeln
Das Laden von Elektroautos wird sich in den kommenden Jahren grundlegend wandeln. Zum einen wächst das öffentliche Ladenetz in Deutschland kontinuierlich, zum anderen steigen die Ladegeschwindigkeiten. Bereits heute gibt es rund 30.000 Ultra-Schnellladepunkte mit mindestens 150 Kilowatt Leistung, die in kaum zehn Minuten Energie für mehrere hundert Kilometer Reichweite liefern.
Betreiber von Ladeinfrastruktur und Autohersteller arbeiten daran, die Technik weiter zu beschleunigen und Ladeleistungen von 500 Kilowatt und mehr für Pkw zu ermöglichen. Dann könnte eine komplette Batterieladung tatsächlich in fünf Minuten erfolgen. Basis dafür ist die 800-Volt-Technologie, die mit höherer Spannung und geringeren Verlusten extrem kurze Ladezeiten erlaubt – insbesondere in Langstreckenfahrzeugen etabliert sie sich zunehmend als Standard.
Auch Fahrer von Fahrzeugen mit geringeren Ladeleistungen werden künftig meist schneller mit dem Energienachschub fertig sein. Komfortfunktionen wie „Plug & Charge“ sorgen dafür, dass sich das Fahrzeug an der Ladesäule automatisch identifiziert, der Ladevorgang startet und die Abrechnung im Hintergrund erfolgt – ganz ohne Karten oder Apps. Parallel dazu nimmt die Zahl öffentlicher Ladehubs mit zusätzlichen Angeboten wie Cafés, Arbeitsplätzen oder Einkaufsmöglichkeiten zu, sodass die Ladepause immer stärker in den Alltag integriert wird. Zu Hause oder am Arbeitsplatz ermöglichen „Smart Charging“-Funktionen eine intelligente Steuerung der Ladezeiten, sodass Strom dann fließt, wenn besonders viel erneuerbare Energie im Netz vorhanden und entsprechend günstig ist.
Großes Potenzial: Bidirektionales Laden

Eine weitere Innovation, lange angekündigt und nun allmählich in der Breite verfügbar, ist das bidirektionale Laden („Vehicle-to-Grid“/V2G). Entsprechende Fahrzeuge können Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder ins Netz oder ins Haus zurückspeisen. Auf diese Weise werden sie zu mobilen Energiespeichern, die in Spitzenzeiten das Stromnetz entlasten oder die Versorgung von Haushalten übernehmen. Studien zeigen, dass dies auch wirtschaftlich interessant sein kann, weil Netzbetreiber und Energieversorger für bereitgestellte Kapazitäten Vergütungen zahlen. Je nach Quelle und individueller Situation können so pro Jahr Beträge im drei- bis niedrigen vierstelligen Bereich zusammenkommen. Zugleich arbeiten Automobilhersteller, Energieversorger und Flottenbetreiber an Konzepten, wie V2G-fähige Autos in Geschäftsmodelle eingebunden oder als Puffer in Firmenfuhrparks genutzt werden können.
Mittelfristig ist mit weiteren Fortschritten bei Technik und Infrastruktur zu rechnen. Ab den 2030er-Jahren könnten etwa induktive Systeme das Laden noch komfortabler machen – entweder kabellos über im Boden eingelassene Ladeplatten oder über Straßensegmente, die Fahrzeuge während der Fahrt mit Energie versorgen. Denkbar sind zudem mobile Lade-Roboter: Sie bewegen sich eigenständig zu geparkten Autos, stecken das Kabel ein und starten den Ladevorgang. In Pilotprojekten in Asien werden solche Systeme bereits erprobt, und erste Städte in Europa untersuchen, ob sich damit Parkhäuser oder Quartiersgaragen nachrüsten lassen.
Revolution im Stromsystem
Die eigentliche Revolution betrifft jedoch das gesamte Stromsystem. Künstliche Intelligenz wird zunehmend steuern, wann und wo Strom fließt, um Netzstabilität, Kosten und CO2-Ausstoß optimal auszutarieren. Das langfristige Ziel heißt „Vehicle-Grid Integration“ (VGI): Fahrzeuge, Ladepunkte und Stromnetz wachsen zu einem einzigen, intelligenten System zusammen. Millionen von Fahrzeugbatterien dienen dann als riesiger, vernetzter Energiespeicher, der flexibel auf Schwankungen bei Erzeugung und Verbrauch reagieren kann.
In einem solchen Szenario sind Elektroautos nicht mehr nur Verkehrsmittel, sondern zentrale Elemente eines nachhaltigen, digitalen Energie-Ökosystems. Das Laden könnte so selbstverständlich und bequem werden wie die Verbindung mit dem WLAN. Damit wandelt sich auch das Verständnis vom Auto: vom reinen Fortbewegungsmittel hin zu einem Bestandteil der Energieinfrastruktur.
Warum sollten wir uns also weiter an den Verbrenner klammern? Hans-Joachim Mag/Hanne Schweitzer/SP-X/Titelfoto: Fraport


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