Im Pkw kann sich die Brennstoffzelle bislang nicht durchsetzen. Bessere Chancen sieht man da für den Transporter.
Der Brennstoffzellenantrieb tut sich im Pkw schwer, und es sieht nicht so aus, er könne er sich dort durchsetzen. Bei Nutzfahrzeugen hingegen könnte sie sich auf der Langstrecke als Alternative zum reinen Batterieantrieb etablieren – nicht nur beim Lkw, sondern auch in der Transporterklasse. Zumindest die französischen Hersteller setzen in diesem Segment stark auf Wasserstoff in Verbindung mit der Brennstoffzelle. Und sie sehen in den kommenden Jahren viel Entwicklungspotenzial.
Denn im Transportwesen stört das hohe Gewicht der Akku-Packs von Elektroantrieben stark. Vor allem in Modellen mit hoher Reichweite schränken die Zusatz-Kilos für die Zell-Chemie die Nutzlast stark ein – und machen E-Lieferwagen für viele Einsatz-Szenarien unattraktiv. Beim Brennstoffzellenantrieb hingegen resultiert eine hohe Reichweite nicht aus einer großen Batterie, sondern aus einem üppigen Gasvorrat. Und der hat vergleichbar wenig Gewicht. Weil die Tanks meist im Unterboden Platz finden, leidet auch das Ladevolumen nicht.
Heben will das Potenzial der Brennstoffzelle aktuell vor allem der Stellantis-Konzern. Dessen Marken Peugeot, Citroen, Fiat und Opel bieten seit kurzem insgesamt acht mittlere und große Transporter mit der Wasserstoff-Technik an, darunter die Opel-Modelle Vivaro und Movano. Basis sind die bekannten Elektro-Transporter, deren große Traktionsbatterie durch eine kleinere Variante ersetzt und mit einer Brennstoffzelle ergänzt wird. Die Gesamtreichweite beträgt laut Hersteller je nach Fahrzeuggröße 400 oder 500 Kilometer, das Befüllen mit Wasserstoff ist innerhalb von 4 bis 5 Minuten möglich.
Betankung innerhalb 4 bis 5 Minuten
Die schnelle Druckbetankung mit bis zu 700 bar ist der zweite Vorteil der Wasserstofftechnik gegenüber der Batterie. Die dürfte auch in absehbarer Zukunft mindestens die drei- bis vierfache Zeit am Ladekabel hängen. Der grade überarbeitete Opel Movano Electric mit reiner Batterie-Technik beispielsweise benötigt im günstigsten Fall sogar rund 55 Minuten. Gerade für Einsatzszenarien mit echten Langstreckenfahrten ist das zu viel.
Solche Kunden sollen daher auf die Wasserstoff-Variante umsteigen, wenn es nach Jean-Michel Billig geht, der bei Stellantis die Technik verantwortet. „Wir sehen die Brennstoffzelle nicht als Ersatz für die batterieelektrische Mobilität, sondern als Ergänzung“, erläutert er und sieht für beide Varianten potenzielle Kunden. Bis zu 5.000 Einheiten des großen Stellantis-Transporters sollen noch im laufenden Jahr mit Brennstoffzelle vom Band laufen. Vom kleineren Modell kommt potenziell noch einmal die gleiche Stückzahl hinzu. 2025 wird das Programm dann auf Nordamerika ausgerollt, wo neben Lieferwagen auch Pick-ups die Wasserstoff-Technik erhalten sollen.
Stellantis sind nicht die einzigen, die auf die Brennstoffzelle setzen. Renault etwa hat seit 2022 erste Alltagserfahrungen mit Brennstoffzellen-Transportern gemacht und will seinen frisch erneuerten Master künftig im großen Stil mit der Technik anbieten. Und auch der koreanische Hersteller Hyundai hat angekündigt, neben Lkw bald auch kleinere Nutzfahrzeuge mit Wasserstoff betreiben zu wollen. Starten dürfte die Technik im Segment der „Purpose Built Vehicles“, Spezialfahrzeugen für Mobilitäts- und Logistikdienste.
Das Problem mit den Kosten
Ein Problem der Technik müssen aber noch alle Beteiligten lösen: die hohen Kosten. „Bis Ende des Jahrzehnts wollen wir die Produktionskosten von Wasserstoff-Nutzfahrzeugen auf das Niveau von batterieelektrischen Modellen senken“, verspricht Stellantis-Mann Billig. Einen konkreten Preis nennt er nicht, er dürfte heute aber um einen fünfstelligen Betrag über dem eines Diesel-Modells liegen. Und auch deutlich oberhalb der aktuellen Batterie-Fahrzeuge, die netto etwa im Fall eines Opel Vivaro Electric Kastenwagen bei rund 40.000 Euro starten.
Vor allem vom Hochfahren der Produktion und den daraus folgenden Skaleneffekten erhofft sich Billig Erleichterungen, was die Kosten angeht. Dazu sollen deutliche Effizienzgewinne kommen, vor allem bei der Brennstoffzelle selbst. Für das Ende des Jahrzehnts rechnet Stellantis mit möglichen Reichweiten von bis zu 800 Kilometer. Das dürfte auch nötig sein, da auch Batterie-Transporter immer weitere Strecken zurücklegen können. Der gerade vorgestellte Mercedes E-Sprinter etwa kommt nach Norm bereits 440 Kilometer weit. Zu einem H2-Transporter aus der Stellantis-Familie fehlen da gerade noch 60 Kilometer – auch wenn Billig für seine Modelle eine bessere Praxisreichweite im realen Verkehr beansprucht. Im Vergleich zu Batterien ist die Brennstoffzelle heute beispielsweise deutlich weniger empfindlich gegenüber Kälte, verliert auch bei Minustemperaturen nicht an Reichweite.
Das Problem mit dem Wasserstoff
Die Kosten für den klimafreundlichen Treibstoff selbst sieht Stellantis nicht als Problem. „Bei den Energiekosten ist das Brennstoffzellenfahrzeug schon heute auf einem ähnlichen Niveau wie der Diesel, der lediglich leichte Vorteile hat“, sagt Billig. Dabei rechnet er mit Kosten von 12 bis 13 Euro pro Kilogramm grünen Wasserstoffs und einem Verbrauch von 1,2 Kilogramm pro Kilometer. Bis Ende des Jahrzehnts könnten sich die Preise halbieren, hofft Stellantis. Dann wären die Kosten für den Betrieb eines H2-Transporters auf dem Niveau eines reinen Batterie-Modells. Ob das wirklich so kommt, bleibt allerdings abzuwarten. Denn neben dem Transportsektor konkurrieren auch Unternehmen aus Chemie- und Pharmaindustrie um das knappe H2 aus erneuerbaren Quellen. Und die zahlen mangels Alternativen nach Einschätzung von Experten mehr als Speditionen und Logistikunternehmen – und könnten so für ein dauerhaft hohes Preisniveau sorgen.
Nicht zuletzt bleiben das Tankstellennetz und die Verfügbarkeit ein Problem. Insgesamt stehen in Europa aktuell nur 265 öffentliche Wasserstoff-Zapfsäulen zur Verfügung, 37 mehr als Anfang 2023. Grünen Wasserstoff gibt es an fast keiner davon. Und auch weltweit waren 2022 von den rund 94 Millionen produzierten Tonnen gerade einmal 0,09 Tonnen grün. Der Rest wurde unter hohen CO2-Emissionen vor allem aus Erdgas gewonnen. Dem Klima nutzt schadet die Brennstoffzelle in diesem Fall mehr als sie nutzt. SP-X/Titelfoto: Stellantis
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