Kleiner E-Up auf großer Fahrt

Mit einem E-Kleinwagen auf großer Fahrt? Alles machbar, fragt sich aber, wie. Wir waren mit dem VW E-Up knapp 1500 km unterwegs. Bis nach Südtirol.

Ausgerechnet zum Starttag schlug das Wetter um. Die sommerliche Wärme wich herbstlichen 10 Grad an diesem Oktobermorgen, an dem wir mit unserem elektrischen VW Up zur ersten großen Fahrt aufbrachen. Aus dem Rhein-Main-Gebiet an den Bodensee, dann weiter durch die Schweiz, Vorarlberg und über die Alpen bis nach Südtirol. Schafft der Elektro-Zwerg das, der mit seiner Reichweite von gerade mal 230 km eigentlich für die Kurzstrecke geschaffen ist?

Erster Ladestopp in Bruchsal, erstmals mit CCS überhaupt. Der E-Up startet mit 32 kW. Foto: itt

Warum ausgerechnet mit dem E-Up, während in der Garage doch ein Stromer für größere Distanzen steht, fragte Freund Hans, leicht an unserem Verstand zweifelnd? Weil der kleine E-Up (Modell 2022 mit 83 PS, 36,8 kWh-Batterie) als Muster an Effizienz und Zuverlässigkeit unser Herz schnell erobert hatte, wir ihm aber mehr zutrauten und deshalb das Abenteuer wagen wollten. Dass VW just zu unserer Testfahrt verkündete, den Up nicht mehr bauen zu wollen, spornt uns nur noch mehr an.

Doch unser Abenteuer will gut durchdacht sein. Der Wechsel auf Winterreifen und das Begleichen diverser Mautgebühren geraten zur Nebensache, denn die Strecke erfordert vor allem eine strategische Ladeplanung: Wo und wann muss die 32 kWh (netto) fassende Batterie des E-Up rechtzeitig nachgeladen werden, damit er auch die letzte Steigung schafft? Auf welchen Abschnitten würde der Kleinwagen den offiziellen Durchschnittsverbrauch von 14,4 kWh/100 km übersteigen?

Hier sollte uns die App ABRP (A Better Route Planer) wertvolle Dienste leisten, wenngleich sich früh herausstellt, dass wir doch etwas ängstlich langsam unterwegs waren und deshalb meist mit einem höheren Ladestand (SOC) an den Stromtankstellen ankommen, als von ABRP berechnet.

Allerdings verkürzt dies die Ladezeit nicht unwesentlich. Zudem wollen wir das befürchtete Rapidgate vermeiden – das Aufheizen der Batterie durch häufiges Laden über die CCS-Dose. Der E-Up besitzt nämlich kein aktives Thermo-Management, der Akku wird weder gekühlt noch geheizt. Wird die Batterie zu warm, reduziert die Elektronik den maximalen Ladestrom, der bei 40 kWh liegt, immer weiter herunter. Dann brauchen die Passagiere viel Geduld.

Neue Energie tanken bei EnBW in Rutesheim. Aber zunächst langes Warten. Die erste Ladesäule zickte zudem und wollte dem E-Up keinen Strom liefern. Ein Mercedes blockierte außerdem eine Säule, war längst vollgetankt. Foto: itt

Etappe eins:

Auf unserer ersten Etappe nach 139 Kilometern ist von Rapidgate jedoch nichts zu spüren. Die dürftigen 22 kW aus der Ladesäule sind vor allem dem hohen SOC von 45 Prozent geschuldet. Ziemlich viel nach dieser Distanz. Zwei Personen mit Gepäck – und mit vollem Akku gestartet – sind deshalb schon nach 20 Minuten wieder weg und freuen sich über einen geringen Verbrauch.

Der nächste Halt folgt dann schon nach weiteren 90 Kilometern, weil unser Stromer etliche Steigungen zu bewältigen hatte. Zudem fiel das Thermometer bei einem kurzen Wolkenbruch auf 8 Grad. Der E-Ep lädt nun anfangs mit 26 kW bei einem erneut recht hohen SOC von etwa 37 Prozent. Nach 28 Minuten geht es weiter.

Auch bei einem Ladestand von 37% ließ der E-Up zu Beginn noch 32 kW durch. Foto: itt

Von Rapidgate ist bislang nichts zu spüren. Vielleicht an der dritten Ladestation? Pustekuchen: Nun lädt der E-Up sogar mit 32 kW. Nach 35 Minuten hat sich der Kleine 13,6 kWh genehmigt und wir rollen weiter voran – ohne Probleme bis zu unserem ersten Ziel am Bodensee.

In fünf Tagen soll es weiter gehen. Über die Schweiz und Österreich, hinauf über den Brenner bis nach Südtirol. Wenn uns ABRP nicht im Stich lässt und die teilweise enormen Steigungen mit mehr Stromverbrauch in Verbindung bringt, sollte alles funktionieren. Und überhaupt: Wer bergauf fährt, muss auch wieder runter. Und da ist der E-Up ein Meister im Zurückgewinnen von Energie.

Etappe zwei

Auch wenn die Weiterfahrt durch die Schweiz zunächst recht langsam ausfällt, weil wir am Bodensee auf einer Bundesstraße entlangrollen, so verbrauchen wir immerhin erfreulich wenig Strom. Die Temperaturen um die 15° tragen ebenfalls dazu bei.

Zweiter Ladestopp in Österreich, "malerisch" gelegen vor einer Strominstallation, schon wieder ohne Regenschutz, aber immerhin mit Blick auf die Berge (was in Österreich quasi ohnehin unvermeidlich ist). Foto: itt — Erster Ladestopp in Österreich, „malerisch“ gelegen vor einer Strominstallation, schon wieder ohne Regenschutz, aber immerhin mit Blick auf die Berge (was in Österreich quasi ohnehin unvermeidlich ist). Foto: itt

Unseren ersten Ladestopp hat ABRP auch erst in Österreich eingeplant, in Bürs, wo wir bei Regen ankommen und den Stecker ungeschützt vor dem Nass bei 51 % SoC in die CCS-Buchse drücken. Welch Glück, dass es zur Ladeapp auch eine Ladekarte gibt, denn der Mobilfunk bleibt zunächst stumm. Einen Kaffee nehmen wir dann in einem nahen Möbelhaus zu uns. Tja, so ein bisschen hat das Laden unterwegs halt doch noch immer mit Pioniergeist zu tun…

Weiter geht es, immer bergauf, so dass unsere Reichweite plötzlich wie Butter in der Sonne schmilzt. Dazu heftiger Regen und Wind, ja, ein echter Föhnsturm, der uns Ende Oktober fast sommerliche Temperaturen beschert. Teilweise kletterte das Außenthermometer auf über 25°. Die Fahrt durch den Arlbergtunnel verläuft unspektakulär, und endlich geht es auch wieder bergab, so dass wir auch mal etwas schneller fahren können.

Letztlich ist ohnehin nicht die angezeigte Reichweite entscheidend, sondern der Ladestand des Akkus. Und der sieht gut aus. Außerdem rekuperiert der E-Up jetzt fleißig nach, so dass wir mit einem SoC von 46 % an der Raststätte Pettnau laden können – diesmal mit einem Dach über dem Kopf. Der Up beginnt bei 30 kW. Nach 35 Minuten steigen wir wieder ein und starten in Richtung Brenner.

Und wieder aufladen, diesmal in der Nähe von Innsbruck. Gerade die letzte freie Säule erwischt. Foto: itt

Während der Regen immer heftiger niederprasselt, folgen wir der Autokarawane den Berg hinauf in Richtung Brenner, wo uns ABRP noch mal einen Ladestopp empfiehlt. Immerhin – der Aufstieg braucht etliches an Strom. Dank unserer ängstlichen Fahrweise wegen eines möglichen rapiden Reichweitenverlusts kommen wir jedoch noch mit einem SoC von 56 % an der Ladesäule an.

Diesen Stopp hätten wir uns sparen können, wie wir im Nachhinein wissen. So aber geht es hinaus in den Starkregen, um den Ladestecker in die Dose zu drücken. Ein wenig durchnässt harren wir im Wagen aus, bis genug Strom in der Batterie ist, während die Scheiben innen heftigst beschlagen.

Der Regen hat nur wenig nachgelassen, als wir nach 34 Minuten den Stecker ziehen und weiterfahren. Von jetzt an geht es unsere letzten 100 km fast nur noch bergab. Wir verbrauchen nunmehr kaum noch Strom, so dass wir auch ohne Nachladen gut an unserem Ziel in Eppan angekommen wären. Sei’s drum – so haben wir noch einiges „im Tank“, um in den nächsten vier Tagen die Gegend zu erkunden.

Insgesamt waren wir zweieinhalb Stunden länger unterwegs als von ABRP berechnet. Die Gründe waren teilweise dichter Verkehr und schlechtes Wetter, aber auch – und dies nicht unerheblich – unsere zurückhaltende Fahrweise. Die jedoch nicht notwendig gewesen wäre, wie wir jetzt wissen.

Etappe drei

Regen, nichts als Regen auf der Südtiroler Autobahn in Richtung Brenner. Foto: itt

Wir starten mit einem SoC von 92 % an diesem grauen Morgen. Zunächst soll es von Eppan nach München gehen. Es gießt aus Eimern und die dunklen Wolken hängen teilweise tief bis auf die Autostrada. Wir beginnen den etwas mühsamen Aufstieg zurück zum Brenner, halten auf der knapp 100 km langen Strecke das Tempo ängstlich zwischen 60 und 80 km/h, weil Wetter und Steigung Reichweite fressen. Und weil es auch nicht so lustig ist, sich ständig neu zwischen den LKWs einzuordnen, bleiben wir in der Reihe. Oben am Brenner kommen wir mit noch 74 km, aber gut 44 % SoC, an.

Also, keine Panik! Wir beschließen, nicht mehr sklavisch der App von ABRP zu folgen und planen unsere erste Ladepause erst kurz hinter Innsbruck, in Hall, ein. Bei Tesla, in der Tiefgarage eines Hotels. Irgendwie süß, wie der kleine Up sich zwischen all den großen Teslas macht.

Wir schaffen es sogar, den Ladestecker von der rechten Seite aus zu verwenden, so wie es bei Tesla üblich ist. Der VW lädt mit 30 kW, fällt dann auf 22. Von Rapidgate aber nichts zu spüren. Ist ja auch der erste Ladestopp. Einen Kaffee gibt es im Hotel, während es draußen weiterregnet.

Ein Kleiner unter Großen. Der smarte VW E-Up darf auch mal an Teslas großem Ladenetzwerk nuckeln. Foto: itt

40 Minuten später und mit geladenen 15 kWh sitzen wir wieder im Auto und rollen weiter nach München, zunächst mal Freunde besuchen. Am Pfanzeltplatz in Perlach docken wir beim Ladestand von 27 % an einen Wechselstromlader der Stadtwerke an. Natürlich regnet es, und ein Dach sucht man an solchen Ladestationen vergebens.

Das Nachladen reißt hier allerdings bei einem SoC von 42 % schon wieder ab, wie wir erst später feststellen.

Ärgerlich, aber zum Glück reicht der Strom bis zu unserem Hotel, wo wir bei EnBW am Schnelllader anstecken. Bei einem SoC von 29 % beginnt der E-Up dort mit 31,3 kW, um beim Ladestand von 82 % immer noch 9,8 kW zu akzeptieren. Die Station ist frei, so dass wir guten Gewissens über die 80% hinausgehen. Bei 89 % zeigt die App noch 7,2 kW an – so viel wie sonst beim Laden mit Wechselstrom.

Laden in Dinkelsbühl vor einem Schnellrestaurant. Wieder mal ungeschützt vor dem Regen. Alle Fotos: itt — Laden in Dinkelsbühl vor einem Schnellrestaurant. Wieder mal ungeschützt vor dem Regen. Foto: itt

Am nächsten Tag geht es nach Hause. Und erneut wollen wir nicht auf ABRP hören, sondern uns die Ladestationen selbst aussuchen. Da die Navigation uns wegen diverser Staus von der Autobahn wegführt, rollen wir recht entspannt durchs bayerische Land. In Dinkelsbühl tanken wir erstmals neue Energie – erneut bei Regen unter freiem Himmel, jedoch erfolgreich.

Innerhalb von 35 Minuten lädt der VW auf 75 %, so dass wir nach weiteren 15 Minuten, insgesamt mit Sightseeing und Kaffee, wieder einsteigen können.

So, jetzt aber bei nächster Gelegenheit zurück auf die Autobahn.

151 km weiter „tanken“ wir ein letztes Mal, am Parkplatz Kohlsberg-Nord (A3), und kommen damit bequem nach Hause. Abenteuer beendet. Ein Abenteuer, das so richtig eigentlich keines war.

Bilanz:

Insgesamt waren wir rein für die Strecke – zusätzliche Touren an unseren Zielorten nicht eingerechnet –, 1488 km unterwegs.

Geladen haben wir insgesamt rein für die Strecke zehn Mal, das machte 141 Kilowattstunden. Bezahlt haben wir etwa 98 €.

Das ergibt rechnerisch 6,67 Euro (im Schnitt 0,57 Euro/kWh) bzw. 11,7 kWh auf 100 km. Ein ziemlich guter Verbrauchswert für den E-Up, der vor allem unserer langsamen Fahrweise und den noch relativ hohen Temperaturen geschuldet ist.

Das berüchtigte Rapidgate hatte uns verschont – dafür hätten wir auf einer Etappe vermutlich mindestens viermal laden und schneller fahren müssen.

Damit bleibt unterm Strich:

Auch mit einem elektrischen Kleinwagen sind weite Touren möglich. Man muss jedoch Abstriche machen – häufiges Laden und langsames Fahren brauchen Zeit. Zusätzlich. Wir lagen jeweils deutlich über der Zeitangabe von ABRP, teilweise 2 Stunden und mehr.

Technische Schwierigkeiten gab es nur einmal. Ansonsten einmal länger warten an einer Ladestation.

Geladen haben wir bei bzw. mit: EnBW, EWE Go, Maingau, Tesla und Ladenetz.

—

Disclaimer: Unsere Fahrt wurde rein privat unternommen, weder unterstützt von irgendwelchen Sponsoren oder durch sonstige Beiträge.

One Response

Horst Lilleike 29. Oktober 2023 at 0:27
Hi, da wart ihr aber sehr vorsichtig mit Eurer Fahrweise. Da bin ich mit einem knapp halb so großen Akku vor einigen Jahren schon schneller gefahren, siehe hier: https://www.goingelectric.de/forum/viewtopic.php?p=622854#p622854
Viel Zeit kann man sparen, wenn der Akku auf unter 20% leer gefahren wird, dann lagen die Ladeleistungen bei Ladebeginn bei dem kleinen Akku von 14,5 kWh immerhin bei 35-40 kW! Weiter als bis 80% habe ich meist nicht geladen, weil die Ladeleistung dann recht niedrig wurde.
Bei dieser Tour habe ich festgestellt, dass ABRP für die Planung von Ladehaltabständen untauglich ist, weil viel zu vorsichtig geplant wird. Auf diese App habe ich danach gänzlich verzichtet. Wegen Strommangel bin ich trotzdem nie liegengeblieben.
Antworten

Puls Magazin