Smart #5

Smart #5: Raus aus der Stadt

Der Smart #5 tritt in der oberen Kompaktklasse an. Ist er ein großer Wurf? Eine erste Testfahrt durch Peking.

Dass Smart nur Kleinstwagen baut, ist lange her. Und nun erobert die Marke ein neues Segment: Wenn die von Geely adoptierte Mercedes-Tochter in diesem Sommer zu Preisen ab 45.900 Euro den #5 (Hashtag 5) in den Handel bringt, tritt sie am oberen Ende der Kompaktklasse gegen elektrische SUV wie den VW ID.4, den Renault Scénic, den Ford Explorer oder auch den Mercedes EQB an.

Smart #5
Vorbei die Zeit, als Smart noch CityCoupés gebaut hat und jede Fahrt in den Nachbarort zur Nervenzerreißprobe wurde. Fotos: SP-X/Bessinger

Und auch aus den Mauern der Stadt wollen die Chinesen damit auch gleich ausbrechen. Vorbei die Zeit, als Smart noch CityCoupés gebaut hat und jede Fahrt in den Nachbarort zur Nervenzerreißprobe wurde. Schließlich ist der #5 mit Batterien von bis zu 100 kWh für 590 Norm-Kilometer und imposanten Ladeleistungen von bestenfalls 480 kW in China oder 400 kW bei uns nicht nur absolut langstreckentauglich. Weil er als erster Smart auch Allrad hat und obendrein mit rustikalen Plastikplanken vorfährt, macht er sogar ein bisschen Lust auf Abenteuer.

Hier und heute allerdings ist das Abenteuer nicht die Pampa, sondern der Stadtverkehr von Peking, der den Smart auf seine erste Probe stellt. Schließlich wird er “daheim” in China schon seit ein paar Wochen verkauft. Und auch im Gewühlt mit den sieben Millionen anderen Autos, die täglich durch die chinesische Hauptstadt wuseln, macht der #5 seine Sache gut – selbst, wenn schon sein Radstand großer ist als der selige Fortwo von Stoßfänger zu Stoßfänger. Aber schließlich sind die Straßen hier breit, die Spuren zahlreich und das Parken überlässt man dem Personal – oder einem Heer von Assistenzsystemen, das in China mehr kann oder darf als fast überall sonst im Rest der Welt. Immer wieder surren hier deshalb Autos führerlos in die engsten Lücken.

Smart #5
Auf einer Skateboard-Plattform mit 2,90 Metern Radstand aufgebaut, bietet er in der ersten Reihe erstklassigen Sitzkomfort.

Smart #5: Viel Platz, viel Laderaum

Stattdessen genießt man mehr noch als in #1 und #3 Platz ohne Ende: Denn im Gegensatz zu vielen klassischen SUV kommt beim Smart die Größe auch innen an: Auf einer Skateboard-Plattform mit 2,90 Metern Radstand aufgebaut, bietet er nicht nur in der ersten Reihe erstklassigen Sitzkomfort, sondern sticht in der zweiten Reihe sogar eine chinesische E-Klasse mit langem Radstand aus. Aus gutem Grund bauen sie deshalb hinten rechts sogar einen Schalter ein, mit dem man den Sitz des Sozius nach vorne fahren kann wie in einer Chauffeurlimousine. Dann reicht der Fußraum im Fond sogar für ein kleines Tänzchen mit sittlicher Distanz. Und endlich musst man sich auch beim Einkaufen nicht mehr beschränken: Allein der Kofferraum fasst 610 Liter und lasst sich auf 1.530 Liter erweitern. Und einen mit bis 72 Litern erfreulich vollwertigen Frunk gibt es obendrein.

Solange die Straßen frei sind, ist der Smart eine ewige Versuchung, die ihn in China auch bei der Polizei zum TV-Star macht. Wo man früher dankbar war für jeden Stau, weil dann endlich ein anderer den Bremser geben durfte, genießt man jetzt eine Beschleunigung wie in Sportwagen – und fährt mit entsprechend hohem Risiko.

Smart #5
Im Gegensatz zu vielen klassischen SUV kommt beim Smart die Größe auch innen an.

Denn wenn schon das Basismodell 250 kW leistet und in 6,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 kommt, schnappt eigentlich immer und überall eine der allgegenwärtigen Radarfallen zu. Zumal es danach flott aufwärts geht: Alternativ bietet Smart den #5 auch mit 363 oder 588 PS an und Brabus packt dann nochmal einen drauf: Dann stehen 646 PS und 710 Nm im Fahrzeugschein, und Schluss ist mit der Raserei erst bei 210 km/h. Oder wäre es zumindest, wenn in China das Limit nicht schon bei 120 km/h läge und wenn nur das Fahrwerk etwas mitteilsamer wäre, die Bremsen mehr Biss hätten und die Lenkung mehr Präzision. Aber so mag es der Chinese offenbar und ein paar Ingenieure haben sie in Europa ja noch, die den #5 schon auf Kurs bringen sollten.

Schon das Basismodell leistet 250 kW

Wenn sich der Verkehr innerhalb der dritten Ringroad zu verdichten beginnt, rücken andere Vorzüge des #5 in den Vordergrund. Sein Infotainment zum Beispiel, das erwachsener wirkt als bei Mini und nicht so übertrieben modern sein will wie bei Mercedes, sondern das in der Kombination aus Head-up-Display, kleinem Bildschirm hinter dem Lenkrad, großem Touchscreen über der Mittelkonsole und einem eigenen Schirm für den Sozius einfach stimmig ist. Oder sein Soundsystem, das mit beleuchten Lautsprechern in den Türen und einer zentralen Box, die beim Anschalten wie ein Pilz aus dem Armaturenbrett sprießt, so viel hermacht wie in der S-Klasse. Und wem das alles zu viel ist, der schaut einfach durchs große Glasdach nach der Skyline, die nach Sonnenuntergang im Neonlicht erstrahlt.

Smart #5
Der Kofferraum fasst 610 Liter und lasst sich auf 1.530 Liter erweitern.

Zwar wissen sie bei Smart selbst, dass sie zumindest des Stammkunden mit dem #5 buchstäblich auf eine große Probe stellen. Doch nachdem die Zahl der Stammkunden ja nie für eine gesunde Gewinnbasis gereicht hat, hält sich die Rücksichtnahme in engen Grenzen. Und allen andern bieten sie mit dem #5 ein elektrisches SUV, das nicht nur billiger ist als viele Konkurrenten und vor allem die Modelle der mittlerweile nur noch entfernten Schwester aus Stuttgart, sondern auch noch besser – und das deshalb tatsächlich zu einem großen Wurf werden konnte.

Außerdem haben sie ja nicht vergessen, wo sie herkommen – sondern rechnen tapfer weiter an einem Nachfolger des Fortwo herum. Und je besser sich der Große verkauft, desto größer dürften die Chancen für den Kleinen werden. Benjamin Bessinger/SP-X

Smart #5 – Technische Daten:

Fünfsitziges, viertüriges SUV; Länge: 4,70 Meter, Breite: 1,92 Meter (Breite mit Außenspiegeln: 2,17 Meter.), Höhe: 1,71 Meter, Radstand: 2,90 Meter, Kofferraumvolumen: 630-1530 + 73 (Frunk) Liter.

#5 Pro: Elektromotor, 250 kW/340 PS, maximales Drehmoment: 373 Nm, Heckantrieb, Eingang-Automatik, 0-100 km/h: 6,9 s, Vmax: 200 km/h, Batteriekapazität 76 kWh, Normreichweite 465 km (WLTP); Normverbrauch: 18,5 kWh/100 Kilometer, Ladeleistung (AC/DC) 11 kW/150 kW, Preis: ab 45 900 Euro.

#5 Pro+: Elektromotor, 267 kW/363 PS, maximales Drehmoment: 373 Nm, Heckantrieb, Eingang-Automatik, 0-100 km/h: 6,5 s, Vmax: 200 km/h, Batteriekapazität 100 kWh, Normreichweite 590 km (WLTP); Normverbrauch: 18,4 kWh/100 Kilometer, Ladeleistung (AC/DC) 22 kW/400 kW, Preis: ab 50.900 Euro.

#5 Pulse: Zwei Elektromotoren, 432 kW/588 PS, maximales Drehmoment: 643 Nm, Allradantrieb, Eingang-Automatik, 0-100 km/h: 4,9 s, Vmax: 200 km/h, Batteriekapazität 100 kWh, Normreichweite 540 km (WLTP); Normverbrauch: 19,9 kWh/100 Kilometer, Ladeleistung (AC/DC) 22 kW/400 kW, Preis: ab 55.400 Euro.

#5 Brabus: Zwei Elektromotoren, 475 kW/646 PS, maximales Drehmoment: 710 Nm, Allradantrieb, Eingang-Automatik, 0-100 km/h: 3,8 s, Vmax: 210 km/h, Batteriekapazität 100 kWh, Normreichweite 540 km (WLTP); Normverbrauch: 19,9 kWh/100 Kilometer, Ladeleistung (AC/DC) 22 kW/400 kW, Preis: ab 60.900 Euro

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