V2H und V2G

Das E-Auto als Baustein der Energiewende

E-Autos und Wärmepumpen werden das Stromnetz künftig stärker belasten. Speziell das E-Auto könnte zur Lösung beitragen.

Es wird wohl noch Jahre dauern, doch langfristig wird der Pkw-Verkehr in Deutschland auf Elektro umgestellt werden. Kritiker der sauberen Mobilität warnen seit Jahren davor, dass eines Tages die verfügbaren Strommengen den wachsenden Bedarf von immer mehr E-Autos vor allem in den Spitzen nicht mehr decken werden. Zumal, wenn immer mehr Wärmepumpen zur Heizung von Immobilien das Stromnetz zusätzlich belasten.

In Deutschland könnte deshalb schon bald Fahrstrom zur Erhaltung der Netzstabilität rationiert werden, um Blackouts zu verhindern. Entsprechende Pläne zur Stromrationierung sollen bereits Anfang 2024 in Kraft treten. Ein weiteres Problem: Ein für den wachsenden Strombedarf nötiger Ausbau zusätzlicher Kraftwerks- und Speicherkapazitäten würde enorme Kosten verursachen. Zwei Anfang des Jahres veröffentlichte Studien zeigen allerdings auch: Allein mit dem smarten Management von Ladevorgängen ließen sich noch viele zusätzliche E-Autos auf wirtschaftliche Weise mit Strom versorgen und dabei zugleich ungenutzte Ökostrom-Potenziale heben. Langfristig könnte sich das E-Auto gar als ein Baustein der Energiewende empfehlen und unser Energiesystem zukunftsfähiger machen.

Vernetzung ist die Zukunft

Dass sich noch viele zusätzliche E-Autos mit ungenutztem und zudem klimaneutralem Strom versorgen ließen, zeigt ein 2022 von VWs Stromanbieter Elli, Netzbetreiber Mitnetz und der Unternehmensberatung E-Bridge durchgeführter und Anfang 2023 vorgestellter Pilotversuch. Ein relativ simpler Weg zur Optimierung des Stromnetzes ist demnach smartes, flexibles und netzdienliches Laden, das auf technischer Seite lediglich eine digitalisierte Vernetzung und Kommunikation zwischen Netzbetreiber, Stromversorger und mit smarten Wallboxen gerüsteten Stromkunden voraussetzt.

Stromnetz
E-Autos belasten vor allem in den frühen Abendstunden die Stromnetze. Foto: Daimler

20 Nutzer von VW ID-Modellen haben vergangenes Jahr an einem entsprechendem Praxistest teilgenommen und ihre E-Autos immer wieder unter netzdienlicher Prämisse zum Laden an ihrer heimischen Wallbox angeschlossen und den Ladewunsch über die Smart-Charging-App von Elli eingecheckt. Ein Algorithmus synchronisierte Ladeanfragen der Nutzer mit der Grünstromerzeugung und legte Ladezeiten fest, die einen erhöhten Grünstromanteil und niedrige Stromkosten berücksichtigte. Damit landete in größerem Umfang regionaler Grünstrom in den Batterien der E-Autos, was es den Teilnehmern erlaubte, den in ihren Fahrzeugen getankten Ökostromanteil zu erhöhen und zugleich die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu verringern. Außerdem profitierten die Nutzer finanziell von zeitvariablen Geldanreizen. Ein Teilnehmer sparte übers Jahr hochgerechnet rund 70 Euro bei seiner Stromrechnung. Einbußen beim Ladekomfort soll es hingegen keine gegeben haben. Mehr als 80 Prozent der am Pilotprojekt teilnehmenden E-Auto-Nutzer signalisierte Interesse an einer Weiterführung des Versuchs.

Netter Bonus: Finanzielle Vorteile

Neben der besseren Grünstrombilanz verspricht das netzdienliche Laden außerdem eine optimierte Nutzung potenziell im Netz abrufbarer Strommengen. Die Studie weist darauf hin, dass allein 2021 in Deutschland rund 6.000 Gigawattstunden regenerativ erzeugter Strom abgeregelt werden musste, mit dem rund 2,4 Millionen E-Fahrzeuge ein ganzes Jahr lang hätten fahren können.

Auch Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) konnten in einer Mitte März in der Zeitschrift „Cell Reports Physical Science“ veröffentlichten Studie aufzeigen, das E-Autos helfen, den Anteil an genutztem Ökostrom zu erhöhen. Die Autoren weisen darauf hin, dass elektrifizierte Verkehrssysteme in den USA die Erzeugungs- und Verteilungsgrenzen überschreiten könnten, was etwa Stromknappheit, Transformatorausfälle provozieren und den Einsatz von Spitzenlastkraftwerken erforderlich machen könnte. Als weiteres Problem wurde auf die volatile Verfügbarkeit von Energie aus Sonne und Wind hingewiesen.

Bedarf in den frühen Abendstunden

Anonymisierte Daten von E-Autonutzern in New York und Dallas zeigten, dass E-Fahrzeuge den höchsten Strombedarf in den frühen Abendstunden haben, in denen die Stromnachfrage allgemein am höchsten ist. Nach Ansicht der Forscher wäre deshalb eine Verlagerung des Ladens am Arbeitsplatz am sinnvollsten, zumal sich dann die Spitzen der Solarstromproduktion zur Mittagszeit abschöpfen ließen. Am Abend würde dann der Strombedarf durch E-Autos und damit die Spitze des allgemeinen Stromverbrauchs sinken, das Stromnetz würde entlastet. Zusätzlich verkleinern ließe sich die Spitze des Stromverbrauchs, wenn das Laden der Autos an der heimischen Steckdose in die Nachstunden verlagert würde. Mit einem entsprechend strategischen Vorgehen, so die Forscher, wäre viel zusätzliche Infrastruktur vermeidbar. Bei einer von Arbeitgebern zur Verfügung gestellten Ladeinfrastruktur würden einfache Wechselstromanschlüsse mit geringer Leistung bereits ausreichen. Auch für ein späteres Laden an der heimischen Steckdose würde eine moderate Ladeleistung und somit eine günstige Ladeinfrastruktur reichen.

In Ladestrategien steckt enormes Potenzial

Beide Studien zeigen, dass in smarten Ladestrategien für E-Autos größeres Potenzial schlummert, bislang ungenutzten Ökostrom abzugreifen, was nicht nur Vorteile für den Klimaschutz brächte, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll wäre. Elektrofahrzeuge könnten darüber hinaus helfen, über bidirektionale Ladetechnik noch mehr Ökostrom nutzbar zu machen. Relativ einfach kann dies bereits heute in einem sogenannten Vehicle-to-Home-Setting funktionieren, indem überschüssiger Solarstrom der hauseigenen PV-Anlage im Batterietank landet, der dann in den Abend- und Nachtstunden das Hausnetz mit Ökostrom versorgt.

Die große Vision ist es jedoch, die enormen Speicherpotenziale von Millionen E-Fahrzeugen über bidirektionales Laden in einer Vehicle-to-Grid-Anbindung dem gesamten Stromnetz zugänglich zu machen, um zu Zeiten hohen Strombedarfs netzstabilisierend zu wirken. Allerdings müssen hierfür noch diverse technische und regulatorische Grundlagen in Deutschland geschaffen werden. Vermutlich erst im nächsten Jahrzehnt dürfte diese Vision praktische Wirklichkeit werden. Mario Hommen/SP-X/Titelfoto: pixabay

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *