Mit dem XPeng G6 betritt ein weiteres chinesisches Modell den Markt. Es bietet enorm viel Auto fürs Geld. Ein Fahrbericht.
Die Flut an (chinesischen) Marken und Modellen auf dem deutschen Markt hat gerade erst begonnen. Und es fällt schwer, den Überblick zu behalten – zumal, wenn sich die Autos so ähneln wie der BYD Sealion 7 und der XPeng G6, die beide in diesen Monaten in der Redaktion von Puls Magazin vorstellig wurden.
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Bei beiden Marken wagen wir indes die Prognose, dass sie sich hierzulande etablieren werden. BYD durch seine Größe und die finanzielle Power und XPeng mit seinem Preis-Leistungsverhältnis. Aber der G6 glänzt nicht nur mit seinem Preis.

Doch der Reihe nach. Zum Test trat die mittlere Variante des G6 mit Heckantrieb und 87,5 kWh (netto 84 kWh) großem Akku an – für 47.300 Euro brutto. Es gibt ihn außerdem als Standard Range mit 190 kW und 66 -kWh-LFP-Akku für 43.600 Euro brutto sowie als AWD Performance mit 350 kW, dem 87,5-kWh-Akku und einem Preis von 51.600 Euro. Erwähnt sei, dass die XPeng-Modelle alle komplett ausgestattet sind. Die Aufpreisliste besteht nur aus zwei Items: der elektrisch ein- und ausfahrbaren Anhängerkupplung für 1.160 Euro sowie vier aufpreispflichtigen Farben. Ansonsten ist alles an Bord, was man sich wünscht und wofür man bei anderen Marken (man denke an die Aufpreislisten von Audi und Co.) eine Menge Geld hinblättert. Was im G6 fehlt ist ein Head-up-Display.
Nur wenige Schalter und Knöpfe

Auf den ersten Blick fällt auf, dass XPeng bei der Bedienung voll auf Elektronik setzt. Schalter und Knöpfe gibt es kaum; alles wird über den zentralen Monitor oder die Tasten am Lenkrad und den beiden Rollen gesteuert. Grundsätzlich lassen sich viele Einstellungen auch per Sprachsteuerung vornehmen, diese zeigte bisweilen aber recht wenig Verständnis, da sie auf bestimmte Formulierungen trainiert ist.
Dennoch: Das ständige Tippen auf dem Bildschirm lenkt schon enorm ab und birgt Einschränkungen, denn beispielsweise die Rekuperation spontan zu verstellen ist kaum möglich, da auch dies ausschließlich über den Bildschirm erfolgt. Zum Glück gibt es einen Hebel für den Scheibenwischer.
Schnellzugriff zu Grundfunktionen wie Kofferraum öffnen, Kindersicherung oder eben Spiegeleinstellung gibt es über ein Roll-Down-Menü, das erscheint, indem man von oben nach unten über das Display streicht. Ungewöhnlich ist die Einstellmöglichkeit der Temperatur und Gebläsestärke über die linken Lenkradtasten und die Rolle. Ohnehin sind die Tasten am Lenkrad mehrfach belegt – und es gibt noch weitere Funktionen, die sich bei langem Druck der Rollen aufrufen lassen.

Im Gegensatz zu anderen Herstellern ist sich XPeng aber der Komplexität der Aufgabe für den Kunden bewusst, sich in diese Materie einzuarbeiten und stellt deswegen online diverse Tutorials zur Verfügung, die diverse Bedienvorgänge erläutern. Gute Idee.
Bedienung: Tutorials auf YouTube
Mit 4,75 Metern Länge und einer Breite von 1,92 Metern (ohne Rückspiegel) zählt der G6 zur automobilen Mittelklasse und bietet – nicht ungewöhnlich für einen Stromer – den Passagieren ordentlich Platz. Sogar im Fond geht es so großzügig zu, dass auch Menschen mit mehr als einer Körpergröße von 190 Zentimeter dort auskömmliche Platzverhältnisse vorfinden. Zudem lässt sich die Rücksitzlehne in der Neigung verstellen, verschieben lässt sie sich nicht.
Noch weiter hinten bietet der Laderaum ein Volumen von 571 bis 1.374 Liter sowie ein weiteres Fach unter dem Ladeboden. Leider gibt es im Laderaum keine Zurrösen zur Ladungssicherung; auch ein Trennnetz kann im Dachhimmel nicht arretiert werden. Hier sollte XPeng nachbessern. Auch einen Frunk gibt es nicht. Die Anhängelast gibt die Marke mit 1.500 kg (gebremst) an, ungebremst sind es 750 kg. Dachlast sowie Stützlast betragen 75 kg.

Der G6 verzichtet auf das Handschuhfach und bietet stattdessen eine große Staubox zwischen den Vordersitzen sowie eine Ablage in der Mittelkonsole für Kleinkram. Die Türtaschen sind etwas zu klein geraten und nehmen keine Ein-Liter-Flaschen auf. In der Mittelkonsole befinden sich bestens erreichbar gleich zwei induktive Ladeschalen mit insgesamt 50 W Ladeleistung inklusive Belüftung für Smartphones. Freilich kann das Telefon gleich mit der Bluetooth-Freisprecheinrichtung oder via Apple CarPlay oder Android Auto kabellos gekoppelt werden.
Ein Handschuhfach gibt es nicht
Gut gelöst ist das „Euro-Klingeln“. Fährt man zu schnell poppt eine Meldung auf, über die man den Warnton für die Fahrt ausschalten kann. Alternativ geht das auch über das zuvor erwähnte Schnellwahl-Menü.
Einen durchweg guten Eindruck hinterlässt die Materialqualität sowie die Verarbeitung. Billiges Plastik gibt es höchstes außerhalb des sichtbaren Bereichs; der Innenraum ist wertig gestaltet, einzig der Mitteltunnel besteht aus Hartplastik, was aber der Wohnlichkeit keinen Schaden zufügt. Angesichts des günstigen Preises ist kein Sparzwang zu erkennen.

Das Fahrwerk ist eher komfortabel abgestimmt, auch wenn im Sportmodus die vollen 210 kW von jeder Elektronik unbehindert an den Hinterrädern zerren und eine gewisse Sportlichkeit Einzug hält. Keine Frage: Mehr Power braucht es eigentlich nicht. Zudem gibt es noch die Fahrmodi Standard und Eco sowie einen individuell konfigurierbaren Modus. Insgesamt wachen 24 Assistenzsysteme über das Wohl der Insassen, die meisten davon hat XPeng dank eigenem Betriebssystem und NVIDIA-Prozessoren selbst entwickelt. Genutzt werden fünf Radaraugen, zwölf Ultraschallsensoren und ebenso viele Kameras.
Doch nun zum Verbrauch: Bei ruhiger Fahrweise erscheint regelmäßig eine 15 vor dem Komma der Verbrauchsanzeige. Auf unserer 100 Kilometer langen Verbrauchsrunde mit 50 Prozent Autobahnanteil maßen wir einen Konsum von 16,1 kWh – sehr beachtlich, wenn auch unter optimalen Temperaturbedingungen von 21 bis 25 Grad erfahren. Der Gesamtverbrauch während der gesamten Testzeit lag bei 18,8 kWh je 100 Kilometer – inklusive Ladeverlusten. Das kann sich sehen lassen. Zum Vergleich: Beim BYD Sealion 7 ermittelten wir 23,9 kWh.
Verbrauch: 16,1 kWh auf der Testrunde

Ebenso positiv fiel das Schnellladen aus, wobei es zunächst gilt, die richtige Ladestation zu finden. Das kann man per Sprachbefehl erledigen oder Ziele klassisch auf dem Display suchen. Wir entschieden uns für den Sprachbefehl und ließen uns die umliegenden EnBW-Schnellladesäulen anzeigen. Das klappte gut. Ist das Ziel aktiviert, wird die Entfernung sowie die Restkapazität des Akkus bei Ankunft angegeben. Für die Langstrecke besitzt das System eine Ladeplanung, bei der man einstellen kann, mit welcher Restreichweite man an einer Säule ankommen möchte.
Im Gegensatz zum BYD Sealion verfügt der G6 über eine Akkuklimatisierung, die sich entweder mit der Eingabe eines Schnellladers aktiviert, oder man kann sie manuell einschalten. Wir bevorzugten die Aktivierung per Navigation und fuhren gut 20 Minuten bis zur Säule, die wir mit einem Rest-SoC von 14 Prozent erreichten. Bei 20 Grad Außentemperatur sollte dies für eine gut temperierte Batterie ausreichen. Dennoch erreichten wir nicht die Maximalleistung von 280 kW – bei 242,4 kW war Schluss. Was aber auch kein Beinbruch darstellt, denn die durchschnittliche Ladezeit lag auch so bei nur 21 Minuten von 15 auf 80 Prozent SoC.

Im Display hinter dem Lenkrad kann man den Ladestand gut verfolgen; dort werden alle Daten angezeigt. Wer sich entspannen möchte kann sich Meditationsmusik vorspielen oder in Schlafposition (mit Weckmöglichkeit) bringen lassen – doch wie gesagt: Viel Zeit bleibt dafür nicht. Der Durchschnitt der Ladeleistung lag letztlich bei 142,8 kW. Zum Vergleich: Der BYD Sealion 7 erreichte einen Durchschnitt von 111 kW.
Schnellladen: 142,8 kW im Schnitt
Den Vertrieb soll künftig ein flächendeckendes Händlernetz übernehmen; Stand heute gibt es im Bundesgebiet 31 Händler und Standorte. Der Ausbau ist in vollem Gange. Die Marke gibt auf alle Fahrzeuge eine Garantie von 7 Jahren oder 160.000 km sowie 8 Jahre auf die Hochvoltbatterie.
Fazit: Der XPeng G6 ist sehr sparsam, lädt schnell und ist somit das ideale Auto für Langstrecken. Er zeigt keine bedeutenden Schwächen und besticht mit einem tollen Preis-Leistungsverhältnis. Damit ist er ein ernst zu nehmender Herausforderer – nicht nur für die etablierten Marken. Titelfoto: XPeng
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XPeng G6 RWD Long Range – Technische Daten:
Fünftüriges, fünfsitziges SUV der Kompaktklasse mit 800-Volt-Architektur; Länge: 4,75 Meter, Breite: 1,92 Meter, Höhe: 1,65 Meter, Radstand: 2,89 Meter, Kofferraumvolumen: 571 – 1.374 Liter, kein Frunk, Anhängelast: 1.500/750 kg (gebremst/ungebremst), Dachlast: 75 kg, Stützlast: 75.
Permanenterregter Synchronmotor, Leistung: 210 kW/286 PS, Hinterradantrieb, Drehmoment: 440 Nm, 0-100 km/h: 6,7 s, Vmax: 200 km/h, Akkugröße: 87,5 kWh (netto 84 kWh), Reichweite: 570 km (WLTP), Ladeleistung: 280 kW (DC), 11 kW (AC).
Messwerte: Max. Ladeleistung AC: 11 kW, DC: 242,4 kW, Ladeleistung (Durchschnitt) 142,8 kW, Ladezeit von 15 auf 80 % SoC: 21 Minuten.
Verbrauch: 17,5 – 13,0 kWh (WLTP), Testverbrauch (inkl. Ladeverlusten): 18,8 kWh, Testrunde (100 km): 16,1 kWh, Reichweite: ca. 450 – 500 km.
Preis: 47.300 Euro, Testwagenpreis: 47.300 Euro.

Sehr sparsam
Schnelles HPC-Laden
Günstiger Preis
Gute Raumausnutzung
Große Reichweite
Zurückhaltende Assistenten
Schnelles Hochfahren

Kein Frunk
Wenige Tasten und Schalter
Kein HUD
Kein 22-kW-AC-Lader
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