Sozialleasing

SPD: Das Sozialleasing soll kommen

Das von der SPD vorgeschlagene Sozialleasing-Programm für E-Autos stellt einen neuen Versuch dar, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zu vereinen.

Vor dem Hintergrund einer stagnierenden Nachfrage nach E-Autos in Deutschland – vor allem nach dem Auslaufen des Umweltbonus Ende 2023 – hat sich die Debatte über nachhaltige und zugleich sozial verträgliche Mobilitätslösungen neu entfacht. Insbesondere einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen bleiben bislang vom Wandel zur Elektromobilität weitgehend ausgeschlossen. Die SPD will diesen Zustand ändern, indem sie ein staatlich gefördertes Leasingmodell etabliert, das sich explizit an Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen richtet.

Das Vorbild für diese Initiative findet sich in Frankreich. Dort wurde Anfang 2024 ein sogenanntes Sozialleasing eingeführt, das Pendlerinnen und Pendlern mit geringem Einkommen ermöglicht, ein vollelektrisches Fahrzeug zu besonders günstigen Konditionen zu leasen. In der Praxis bedeutet das Raten ab 100 Euro pro Monat, wobei gewisse Anforderungen an das Einkommen, die Pendeldistanz und den Fahrzeugtyp gestellt werden. Das französische Modell war innerhalb weniger Monate so erfolgreich, dass es bereits nach kurzer Zeit überzeichnet war – mehr Menschen bewarben sich als ursprünglich geplant. Diese Resonanz zeigt, dass es einen erheblichen Bedarf an bezahlbarer Elektromobilität gibt, der mit traditionellen Kaufprämien allein nicht gedeckt werden kann.

850.000 Haushalte könnten profitieren

Sozialleasing
Isabel Cademartori. Foto: Maurice Weiss

Laut der „Wirtschaftswoche“ könnten in Deutschland 850.000 Haushalte vom Sozialleasing für E-Autos profitieren, wenn ähnliche Maßstäbe wie in Frankreich gelten. Ein E-Auto zum Listenpreis bis 25.000 Euro könnte demnach für 130 Euro im Monat zu leasen sein. Dabei beruft sich die Zeitung auf eine Studie. Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sagte in einem Interview der „Wirtschaftswoche“: „Wir wollen nicht mit großem Aufwand chinesisch produzierte Fahrzeuge fördern. Es geht nicht um die Marke, aber darum, wo produziert wird. Denkbar ist, dass man für 99 Euro im Monat drei Jahre lang ein E-Auto fährt.“ Cademartori erwähnt auch eine Listenpreisspanne von 20.000 bis 25.000 Euro. Also jenes Preissegment, das etwa Volkswagen ab 2027 mit dem ID.1 abdecken will.

In Deutschland plant die SPD daher, ein vergleichbares Modell zu etablieren. Der Unterschied liegt im Finanzierungspfad: Während Frankreich das Sozialleasing größtenteils aus dem nationalen Haushalt stemmt, sieht die SPD vor, den europäischen Klimasozialfonds als Finanzierungsquelle zu nutzen. Dieser Fonds wird 2027 eingeführt, im Zuge der Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf die Sektoren Verkehr und Gebäude. Die Idee dahinter ist einfach: Wenn Verbraucher künftig beim Tanken oder Heizen CO₂-Kosten zahlen müssen, sollen sie im Gegenzug durch gezielte Maßnahmen entlastet werden. Sozialleasing für Elektrofahrzeuge gilt in diesem Zusammenhang als eine sozialpolitisch wirksame Maßnahme, da sie gleichzeitig den Klimazielen dient.

Ab 99 im Monat fahren?

Gleichzeitig soll das Leasingprogramm nicht isoliert bleiben. Es ist Teil eines breiteren Maßnahmenpakets, das auch steuerliche Anreize, Investitionen in Ladeinfrastruktur sowie innovationspolitische Instrumente umfasst. Die SPD schlägt beispielsweise vor, die derzeitige Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis 2035 zu verlängern und die Obergrenze für die steuerlich begünstigte private Nutzung von Dienstwagen mit Elektroantrieb zu erhöhen. Auch Sonderabschreibungen für Unternehmen, die in elektrische Flotten investieren, sind vorgesehen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, nicht nur Privatpersonen, sondern auch gewerbliche Akteure zu einer Umstellung zu bewegen und gleichzeitig die inländische Produktion von E-Autos zu stärken.

Aus industriepolitischer Sicht spielt das Sozialleasing-Programm auch deshalb eine Rolle, weil es potenziell den heimischen Absatzmarkt stabilisieren kann. Seit dem Förderstopp Ende 2023 haben viele deutsche Hersteller Absatzprobleme im E-Segment gemeldet. Gerade kleinere und günstigere Modelle werden weniger stark nachgefragt, obwohl sie besonders klimafreundlich und städtetauglich wären. Wenn nun durch Sozialleasing eine neue Zielgruppe mit erschwinglichen Monatsraten erreicht wird, könnte dies nicht nur die Klimabilanz verbessern, sondern auch Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sichern.

Doch es gibt auch Herausforderungen. Kritikerinnen und Kritiker warnen davor, dass derartige Programme teuer und ineffizient sein könnten, wenn sie nicht genau auf die Bedürftigen zugeschnitten sind. Es besteht die Gefahr, dass Mitnahmeeffekte auftreten – also Personen von der Förderung profitieren, die sich ohnehin ein E-Auto leisten könnten. Ebenso wichtig ist die infrastrukturelle Frage: In vielen Regionen Deutschlands fehlt es an ausreichend Ladestationen, insbesondere in ländlichen Gegenden und in Mietwohnungen ohne private Stellplätze. Ein günstiges E-Auto nützt wenig, wenn es nicht alltagstauglich geladen werden kann. Das Sozialleasing muss daher zwingend mit einem Ausbau der Ladeinfrastruktur einhergehen.

CDU und FDP sind skeptisch

ID.1
Der ID.1 von VW könnte für die Förderung passen. Foto: VW

Politisch ist das Vorhaben nicht unumstritten. Während die SPD es als einen wesentlichen Beitrag zur sozialverträglichen Mobilitätswende sieht, äußern sich Vertreter von CDU und FDP skeptisch. Sie bezweifeln die Finanzierbarkeit und warnen davor, dass zu viele teure Programme auf einmal die Haushaltsdisziplin gefährden könnten. Besonders kritisch wird beäugt, dass die Finanzierung auf europäischer Ebene – und damit außerhalb des unmittelbaren deutschen Haushalts – geplant ist. Andererseits betonen viele Stimmen aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Umweltorganisationen, dass eine klimaneutrale Zukunft nur gelingen kann, wenn sie die sozialen Realitäten anerkennt und berücksichtigt.

Insgesamt lässt sich sagen, dass das Sozialleasing-Programm der SPD ein innovativer Ansatz ist, um soziale Teilhabe und ökologische Transformation miteinander zu verbinden. Es geht nicht nur darum, E-Autos billiger zu machen, sondern auch um ein Signal: Die Verkehrswende soll kein Projekt der wohlhabenden Ober- und Mittelschicht sein, sondern auch jenen offenstehen, die bislang vom technologischen Wandel ausgeschlossen sind. Der Plan ist ambitioniert und noch mit vielen offenen Fragen verbunden – etwa zur konkreten Ausgestaltung, zur Verfügbarkeit geeigneter Fahrzeuge, zur Bereitstellung der Mittel aus Brüssel und zur politischen Mehrheitsfähigkeit. Doch gerade weil die Verkehrswende bislang vor allem von oben nach unten gedacht wurde, könnte ein solches Programm zu einem echten Perspektivwechsel führen.

Sozialleasing: Start nicht vor 2027

Die SPD setzt mit diesem Vorschlag auf einen längeren Planungshorizont: Frühester Startpunkt ist wohl 2027, wenn die Mittel des EU-Klimasozialfonds zur Verfügung stehen. Bis dahin wird es entscheidend sein, politische Allianzen zu schmieden, die Umsetzung rechtlich vorzubereiten und die kommunale Infrastrukturentwicklung zu flankieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Markt und Technologie weiterentwickeln. Neue Batterietechnologien, mehr Wettbewerb im Fahrzeugbau und sinkende Produktionskosten könnten in den nächsten Jahren die Ausgangsbedingungen verbessern.

Am Ende steht eine einfache, aber zentrale Idee: Die Mobilitätswende darf kein elitäres Projekt sein. Ein Sozialleasingmodell, das Geringverdienern den Zugang zur Elektromobilität erleichtert, kann aus einer gesamtgesellschaftlichen Vision ein alltagsnahes Angebot machen – und damit die Verkehrswende auf breitere Schultern stellen. Titelfoto: pixabay

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