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Adhoc-Laden: Preisfalle oder Zukunft?

Weg mit allen Vorteilsprogrammen und -karten. Laden einfach wie tanken machen – das muss die Devise sein. Dann steigen auch mehr Menschen um. Allerdings nicht, wenn die Kilowattstunde 1,15 Euro kostet.

Preiswillkür, komplexe Anmeldeprozesse und fehlende Preistransparenz verhageln immer noch die Freude am E-Auto und verlangsamen den dringenden Umstieg weg von fossilen Energien. Gerade jetzt, wo der Ukraine-Krieg die Energiekosten in die Höhe treibt, ist ein Umdenken und Umlenken notwendig. Soll sich die E-Mobilität durchsetzen, dann muss Adhoc-Laden, das vertragsfreie Laden, das neue Normal werden. Gegenwärtig kommen E-Autobesitzer, die unterwegs laden müssen, ohne Verträge, RFID-Karten und zahlreiche Apps nicht aus oder zahlen heftig drauf. Findet man keine Lademöglichkeit des Vertragspartners in der Nähe, ist das Adhoc-Laden eigentlich eine attraktive Option.

In der Ladesäulenverordnung findet sich die Forderung nach einer einheitlichen Bezahlmethode für Adhoc-Laden. Man will Laden transparenter und einfacher machen. Guter Ansatz, nur die Preispolitik der Anbieter steht dem im Wege. Adhoc-Laden ist oft um ein Vielfaches teurer, denn Anbieter versuchen scheinbar mit Rabattprogrammen und Karten die Nutzer im eigenen Netzwerk zu halten und die Preise für Adhoc-Laden künstlich so hoch zu halten, dass es keine Option für E-Fahrer ist. Anders sind Preiszusammensetzungen wie die folgende nicht zu erklären.

1,15 Euro pro kWh

Stellen sich vor, Sie kommen zur Tankstelle und müssen an der Kasse statt 1,65 Euro pro Liter 4,49 Euro zahlen und das nur, weil Sie die falsche Automarke fahren oder keinen Vertrag mit der Tankstellenkette haben. Was gäbe das für einen Aufschrei? So ist das Verhältnis derzeit bei der von allen Seiten geforderten und geförderten E-Mobilität. Wir übernehmen das mal mit dem Aufschrei:

Adhoc-Ladepreise sind teils mehr als doppelt so hoch, wie beim Haushaltsstrom. So bringen wir die Autofahrer nicht zum Umsatteln. Grafik: dmt | Agentur für Neue Mobilität

Ein Beispiel aus Düsseldorf/Neuss. Die Stadtwerke Neuss bieten an einer neuen Schnellladestation Adhoc-Laden an mit einer Startgebühr von 9,50 €. Das macht uns hellhörig, denn Startgebühren sind doch eigentlich ein Relikt aus den Anfängen der deutschen Ladeinfrastruktur. Wir haben nachgefragt und konnten es kaum glauben: Lädt man an dieser Station 15 kWh nach, kostet die Kilowattstunde 1,15 Euro. Wenige Kilometer weiter im Bereich der Düsseldorfer Stadtwerke kostet der gleiche Vorgang 0,55 Euro pro kWh. Das macht 17,25 Euro in Neuss zu 8,25 Euro in Düsseldorf. Wenn schon regionale Stadtwerke so unterschiedlich abrechnen, was darf man dann von anderen Marktteilnehmern erwarten?

Bei Ionity zahlen Sie als Käufer eines neuen KIA EV 6 im Paket Ionity Power 0,29 Euro/kWh fürs HPC-Laden (High-Power-Charging). Im ersten Jahr ohne Grundgebühr. Für Nutzer ohne Vorteilspakete kostet das Laden 0,79 Euro/kWh. Gibt es etwas Vergleichbares in der Verbrennerwelt? Lediglich kleine Vorteilspakete, mit denen man winzige Centbeträge sparen kann. Bei Tesla waren bislang an den Superchargern Fremdmarken erst gar nicht zugelassen. Das europaweit gut ausgebaute Netz war und ist das beste Argument für den Kauf eines Teslas und sollte exklusiv gehalten werden. Jetzt wird es über die App schrittweise für andere Fahrzeuge geöffnet, aber scheinbar auch mit horrenden Preisaufschlägen. Und das Ganze nur als Versuchsballon. Leider auch nicht besser als die anderen.

Vielfahrer kennen sich aus

Dem allen ist zum Glück zu entgehen, wenn man sich mit der Materie beschäftigt, den richtigen Tarif bucht und vor der Fahrt ins benachbarte Ausland ordentlich vorbereitet. Dann lässt sich mit der E-Mobilität gegenüber dem Verbrenner deutlich sparen. Effiziente E-Autos kommen selbst bei flotter Fahrweise auch mit Autobahnanteil auf 100 Kilometern mit 15 kWh aus. Wer den richtigen Vertrag hat oder zu Hause laden kann, der zahlt dafür unter 5 Euro.

Auch mit einem sparsamen Verbrenner liegt man bei dem Doppelten bis Dreifachen. Zahlreiche Gratisangebote zum Laden, zum Beispiel beim Discounter des Vertrauens, machen das das Ganze noch attraktiver. Man muss nur einen in der Nähe haben… Aber ist Jedermann bereit, sich derart gründlich vorzubereiten, zu suchen, zu vergleichen, will er doch nur von A nach B kommen? Halten wir nicht viele Wechselwillige durch diese Komplexität ab? Nicht nur für Tarifprofis und Gratisjäger unter den E-Fahrern muss die neue Technik Anwendung finden.

In der neuen Ladesäulenverordnung findet sich der Wille des Bundesministeriums für Wirtschaft und Verkehr, das Ganze zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Das vertragsfreie Laden ohne große Vorbereitungen und Suche soll über Kreditkarte und Girokarte dabei zentrales Element sein. Die Ladesäulen müssen je nach Aufbaudatum bestimmte Kommunikationsschnittstellen mit Kreditkarten- und Girokartenunternehmen anbieten. Ab 2023 sind für Schnelllader auch Terminals wie am Geldautomaten verpflichtend vorgesehen. Nur was bringt es, wenn ich einfachen Zugang und Abrechnung ermögliche, aber den Verbraucher der Preiswillkür der Anbieter ausliefere? Adhoc-Laden ist im Augenblick schlicht zu teuer. ES/Titelfoto: Pixabay


Kommentar vom Autor

Holt das Geld von den Verschmutzern

Eckhard Schulte ist privat und beruflich elektrisch unterwegs und Geschäftsführer der dmt | Agentur für Neue Mobilität.

 

In den Niederlanden kostet das Laden am Supercharger von Tesla 28 Cent – in Deutschland 45 Cent. Kein Wunder, denn in den Niederlanden kostet die kWh 16,5 Cent, in Deutschland 31,8 Cent. Damit sind wir weltweit Spitzenreiter. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage kommen wir da wohl nicht ran. Ein weiterer Erfolgsfaktor auf dem Weg der Elektromobilität: Der Strompreis für Ladestrom muss insgesamt runter und damit befreit werden von unsinnigen Abgaben. Holt das Geld von den Verschmutzern! Hier ist unsere neue Regierung gefordert.

Bei jeder Tankstelle hängen an der Strasse weithin sichtbar die Preise. Warum muss man bei der E-Mobilität danach forschen? Für das vertragsfreie Adhoc-Laden müssen vom Verbraucher verbindliche und aktuelle Preise online eingesehen werden können und an der Ladesäule muss der Preis deutlich ersichtlich sein, was für Ladesäulen mit Bildschirm spricht, will man den Ladevorgang gegen Bezahlung anbieten. Wie bei jeder Tankstelle eben. Verpflichtend bitte!

So lässt sich für den Verbraucher endlich vergleichen und Hochpreisanbieter werden über kurz oder lang zu einer Änderung ihrer Preispolitik gezwungen sein. Die Kräfte des Marktes unter Konkurrenzbedingungen müssen hier entfacht und beobachtet werden, soll die E-Mobilität als Teil der Lösung für den Klimawandel ein Erfolg werden. Dazu sollte man darauf achten, dass bei den Ladestationen Anbieter nicht regionale Fast-Monopole aufbauen. Der Ansatz mit Konzentration auf das Adhoc-Laden ist jedenfalls ein erster richtiger Schritt, um Laden einfach wie tanken zu machen. Oder wollen wir zurück zur Zeit der alten Rabattmarkenhefte?

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