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Audi e-tron S: Der Magen an der Wirbelsäule

Das S steht bei Audi seit jeher für eine Extraportion an Sportlichkeit. Nun kommt der e-tron S. Eine erste Ausfahrt.

Da könnte man denken, dass ein Elektroauto wie der bereits bekannte e-tron Kraft genug auf die Straße bringt, um auch anspruchsvolle Fahrer zu befriedigen. Doch Audi sieht das anders und bringt nun im Herbst die ersten Einheiten von e-tron S und e-tron S Sportback auf die Straße.

Ihr Plus an Elektro-Power geben beide auf den ersten Blick zu erkennen. Front- und Heckstoßfänger sind stark konturiert, die Air Curtains besonders groß gezeichnet. Am Heck läuft der Diffusoreinsatz fast über die volle Fahrzeugbreite. Auf beiden Seiten sind die Radläufe um 23 Millimeter breiter. Damit stehen die Autos extrem muskulös auf der Straße. An der Front und am Heck setzen silberfarbene Anbauteile Akzente – ein Feature, das ebenso wie die Außenspiegelgehäuse aus Aluminium exklusiv den S-Modellen vorbehalten ist.

Weltneuheit: Torque Vectoring

Audi e-tron S
Exklusiv ist das Antriebssystem mit drei Elektro-Motoren sowie einem elektrischen Torque Vectoring. Fotos: Audi

Ebenso exklusiv ist das Antriebssystem mit drei Elektro-Motoren sowie einem elektrischen Torque Vectoring. Die von Audi als Weltneuheit in der Großserie Serienfahrzeugen gepriesene Kombination der drei E-Maschinen bringt es im Boostbereich und der Fahrstufe S auf eine maximale Gesamtleistung von 370 kW (476 PS) und ein Drehmoment von 973 Newtonmetern (Nm). Jeweils acht Sekunden lang kann diese Performance abgerufen werden.

Der Magen an der Wirbelsäule

Der Standardsprint auf Tempo 100 dauert dann gerade mal 4,5 Sekunden, bei 210 Kilometern pro Stunde endet die Beschleunigungsorgie. Die beginnt mit einem kräftigen Schlag ins Kreuz, wenn das rechte Pedal mit Wucht gegen das Bodenblech gedrückt wird. Von da an klebt der Magen an der Wirbelsäule, löst sich erst wieder, wenn die Geschwindigkeit zurückgenommen wird. Die im Dauerbetrieb zur Verfügung stehenden 320 kW (435 PS/808 Nm) vermitteln ein durchaus ähnliches Gefühl, wenn das Kraftpotenzial voll ausgeschöpft wird.

Anders jedoch als beim bisher bekannten e-Tron haben die Entwickler für die S-Versionen den starken hinteren Antrieb mit einer Leistung von jetzt 124 kW (169 PS, im Boostbereich 150 kW/204 PS) von der Hinter- an die Vorderachse verpflanzt. Die kleinere Maschine wandert dafür jetzt in doppelter Ausführung von vorne nach hinten, wo sie jeweils ein Rad mit 309 Nm antreiben. Gemeinsam leisten die beiden E-Motoren 196 kW (266 PS, im Boost 264 kW/359 PS).

Audi e-tron S
Die Innenräume der e-tron S-Modelle sind in dunklen Tönen gehalten.

Jeder Elektromotor wird von einer eigenen Leistungselektronik mit Drehstrom versorgt, Planetenradgetriebe mit fester Übersetzung leiten ihre Kräfte auf die Räder. Der vordere E-Motor hat aus Packaging-Gründen eine achsparallele Einbaulage. Die beiden Elektromotoren an der Hinterachse sind Rücken an Rücken in einem Gehäuse koaxial montiert. Die Kraftübertragung auf die Räder erfolgt ohne mechanisches Differenzial. Die Verteilung des Drehmoments erfolgt über das elektrische Torque Vectoring. Im Alltag arbeiten aus Effizienzgründen lediglich die beiden hinteren E-Maschinen. Wird mehr Leistung abgerufen, beziehungsweise wenn der Grip bei niedrigen Reibwerten oder schneller Kurvenfahrt nachlässt, schaltet sich der vordere Motor blitzschnell und für den Fahrer unmerklich zu.

Brutal spurtreu

Jeder der hinteren E-Motoren schickt die Antriebsmomente über ein Eingang-Getriebe direkt auf das jeweilige Rad. Auf wirklich schnell gefahrener kurvenreicher Strecke werden das Plus an Agilität und Traktion des Systems deutlich. Es ist schon enorm beeindruckend, wie präzise der 4,90 Meter lange e-tron S Sportback um die Ecken wieselt, keinen Millimeter von der vorgegebenen Spur abweicht. „Wenn die Stabilisierungskontrolle ESC auf Sport und das Fahrdynamiksystem auf maximale Performance eingestellt sind, erlaubt das Antriebslayout hohe Querdynamik und auf Wunsch auch kontrollierte Drifts. Nahe dem physikalischen Limit wird das entlastete kurveninnere Vorderrad über die Radbremse leicht verzögert, das unterbindet Schlupf und verfeinert das Handling weiter“, erklärt Projektleiter Marc Bauer. Die elektrischen S-Modelle rollen serienmäßig auf 20-Zoll-Rädern und 285er-Reifen. Auf Wunsch gibt es Räder in 21 und später auch in 22 Zoll.

Die Akkus speichern 95 kWh

Entscheidenden Anteil an der sportlichen DNA der e-tron-S-Modelle haben die sehr direkt reagierende Lenkung sowie der tiefe Schwerpunkt und die ausgewogene Verteilung der Achslasten. Grund dafür ist die tiefe Einbaulage der Hochvolt-Batterie unter dem Passagierabteil. Der Akku speichert in seinen 36 Modulen mit jeweils zwölf Zellen brutto 95 kWh Energie, von denen 91 Prozent (86 kWh) nutzbar sind.

Audi e-tron S
Der Routenplaner errechnet die schnellste Route inklusive der optimalen Ladestopps.

Mit einer Batterieladung erzielen beide e-tron S laut Hersteller im WLTP-Zyklus Reichweiten von bis zu 360 Kilometer beziehungsweise 365 Kilometer (vorläufige Werte). Sowohl die Aerodynamik als auch die Rekuperation tragen zur Effizienz bei. Bei der Schubrekuperation kann der Fahrer zwischen drei Stufen wählen, auf der höchsten erlebt er ein merkliches One-Pedal-Feeling. Beim Bremsen leisten die E-Maschinen bis in den Bereich von 0,3 g – also in den meisten Alltagssituationen – die Verzögerung allein, erst darüber kommen die hydraulischen Radbremsen ins Spiel. Die Elektromotoren bleiben jedoch weiterhin aktiv, beim Verzögern aus Tempo 100 können sie bis zu 270 kW Peak-Leistung umwandeln.

DC-Ladung mit bis zu 150 kW

Geladen wird die Batterie serienmäßig mit bis zu elf kW mit Wechselstrom. Das optionale Ladesystem kompakt lässt sich an einer 400-Volt-Drehstromsteckdose ebenso wie an einer 230-Volt-Steckdose nutzen. Unterwegs können die elektrischen S-Modelle mit bis zu 150 kW Leistung Gleichstrom laden, etwa im europäischen Netzwerk von Ionity. Damit dauert der Ladevorgang von fünf auf 80 Prozent etwa eine halbe Stunde. In Europa macht der e-tron Charging Service auf Wunsch mehr als 150.000 öffentliche Ladepunkte mit einer Karte zugänglich. Im europaweiten Schnelllade-Netzwerk von Ionity gelten für Kunden des Audi-eigenen Ladedienstes günstige Konditionen. Im ersten Jahr übernimmt Audi die Grundgebühr für den Transit-Tarif, der einen reduzierten Preis pro kWh Strom bietet.

Auch innen geht es edel zu

Die Innenräume der e-tron S-Modelle sind in dunklen Tönen gehalten. Elektrisch einstellbare Sportsitze sind Serie, ihre Leder-/Alcantara-Bezüge sowie der Fahrstufen-Wählhebel tragen S-Prägungen mit Raute. Die Dekorblenden bestehen aus gebürstetem Aluminium in zwei Ausführungen, auf Wunsch aus Carbon.

Audi e-tron S
Von den Qualitäten des e-tron S konnte sich unser Autor Wolfgang Schäffer überzeugen.

Außer dem digitalen MMI touch response-Bediensystem mit den beiden großen zentralen Displays kann hier im dritten Display, dem Audi virtual cockpit, ein spezieller e-tron-Screen gewählt werden. Dabei wird der elektrische Antrieb in den Mittelpunkt gerückt. Auf Wunsch ergänzt ein Head-up-Display das Anzeigenkonzept. Das Bedien- und Infotainmentsystem MMI Navigation plus ist serienmäßig an Bord.

Tägliche Aktualisierung

Die Online-Services von Audi connect ergänzen die Navigation, allen voran der erweiterte e-tron Routenplaner. Er errechnet die schnellste Route inklusive der optimalen Ladestopps, wobei er auch Verkehrsdaten, das Fahrprofil des Fahrers und die Dauer der Ladestopps einbezieht. Das Verzeichnis der Ladepunkte, das entsprechende Zusatz-Informationen enthält, wird jeden Tag online neu aktualisiert. Auf Wunsch können Ladestationen, an denen der Fahrer mit dem e-tron Charging Service bezahlen kann, in der Routenplanung präferiert werden.

Auch die Preise für so viel Leistung und Exklusivität sind nun bekannt: Der e-tron S kostet 93.800 Euro abzüglich drei Prozent MwSt./etwa 2.800 Euro und der e-tron S Sportback 96.050 Euro/derzeit etwa minus 2.900 Euro. Eine Chance auf die Elektroauto-Förderung hat man damit freilich nicht. Wolfgang Schäffer

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