Viele aktuelle Audi-Modelle mit V6-Dieselmotoren bis einschließlich 210 kW (286 PS) sind für HVO-Kraftstoff freigegeben.

Frittenfett soll Klima retten

Können Designer-Sprits wie HVO100 die Klimabilanz des Verbrennungsmotors retten? Die Branche hofft.

Der Bund hat den Weg für neue Bio-Kraftstoffe frei gemacht. Neben höher konzentriertem Bio-Diesel B10 darf nun auch der Designer-Sprit HVO100 verkauft werden. Anbieter und Befürworter werben mit besonderer Klimafreundlichkeit. Fragen und Antworten zur neuen Mineralöl-Alternative:

Was ist HVO100?
HVO100 ist eine synthetische Diesel-Alternative und zählt zu den XtL-Kraftstoffen, also Flüssigkraftstoffen, die aus verschiedenen Ausgangsstoffen („X“) gewonnen werden. In diesem Fall handelt es sich um hydrierte Pflanzenöle, was sich wiederum in dem Kürzel „HVO – „Hydrotreated Vegetable Oils“ wiederfindet. Die nachgestellte Zahl gibt an, dass es sich um 100 Prozent reinen HVO-Kraftstoff handelt. Alternativ wird HVO-Diesel auch unter der Bezeichnung C.A.R.E. vertrieben, ein Kunstwort, bei dem das englische Wort „care“ (sich kümmern) mitschwingt. Weitere Namensvarianten heißen NExBTL, NesteMy oder Renewable Diesel. Fachsprachlich kann man auch von paraffinischen Dieselkraftstoffen reden.

Wie wird HVO100 hergestellt?
Ausgangsstoff bei der Herstellung sind beliebige Pflanzenöle, etwa das auch in der Küche eingesetzte Rapsöl, aber auch Rest- und Abfallstoffe wie altes Frittenfett. Die deutschen Anbieter nehmen für sich in der Regel in Anspruch, ausschließlich letzteres zu verwenden. Eine Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion soll so ausgeschlossen sein. Zunächst werden die Öle gereinigt, anschließend werden sie bei hohen Temperaturen und unter hohem Druck in einer Reaktion mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, die denen von konventionellem Diesel ähneln. Der Wasserstoff wiederum wird idealerweise mit Hilfe erneuerbarer Energien durch Elektrolyse hergestellt.

Ist HVO100 klimafreundlich?
Anbieter und Hersteller von HVO-Diesel werben mit möglichen CO2-Einsparungen von 95 Prozent im Vergleich zu Mineralöl-Diesel. Diese resultieren vor allem aus der bilanziellen Klimaneutralität von Pflanzenöl – verbrannt wird nur so viel Kohlenstoff wie vorher beim Wachstum eingelagert wurde. Positiv auf die Bilanz wirkt sich auch aus, wenn Designer-Diesel aus Reststoffen hergestellt wird. Dann stehen zum einen Tank und Teller nicht in Konkurrenz, zum anderen lassen sich die Umwelteinwirkungen des Rohstoffanbaus herausrechnen. Darüber hinaus spielen auch noch die Bedingungen von Transport, Wasserstoffsynthese und Kraftstoff-Raffinierung eine Rolle für die Ökobilanz – nur mit grünem Strom wären diese wirklich klimafreundlich. Welchen CO2-Fußabdruck genau das an der konkreten Zapfsäule erhältliche HVO100 hat, lässt sich für den Verbraucher nicht erkennen.

Viele aktuelle Audi-Modelle mit V6-Dieselmotoren bis einschließlich 210 kW (286 PS) sind für HVO-Kraftstoff freigegeben.

Wie sieht die übrige Umweltbilanz aus?
Bei der Verbrennung von HVO entstehen grundsätzlich die gleichen Abgase wie bei Mineralöldiesel, darunter Stickoxide, Kohlenmonoxid und Partikel. Die Hersteller nehmen für sich allerdings in Anspruch, dass die Menge der Schadstoffe geringer ausfällt. Erste unabhängige Messungen bestätigen das. HVO selbst ist ein wassergefährdender Stoff und darf genau wie Mineralölsprit nicht in die Umwelt gelangen.

Was kostet HVO100?
Der Frittenfett-Diesel dürfte auf absehbare Zeit der teuerste Bio-Kraftstoff an der Tankstelle bleiben. Vor allem wegen der hohen Produktionskosten liegt der um 15 bis 20 Cent über dem von konventionellem Diesel, weshalb sich die Hersteller mit dem Hinweis auf die beworbenen Klimafreundlichkeit für Steuervergünstigungen einsetzen. Ohne diese bleibt HVO für den Nutzer sehr kostspielig: Hochgerechnet auf den durchschnittlichen Verbrauch deutscher Pkw-Diesel von rund 7 Litern je 100 Kilometern würden auf dieser Strecke Zusatzkosten von 10,50 Euro bis 14 Euro anfallen. Für die meisten Privatkunden dürfte das nicht attraktiv sein. Zielkundschaft ist vor allem gewerbliche Nutzer und die Speditions- und Logistikbranche, die bereit sind, für die Verkleinerung des eigenen CO2-Fußabdrucks zu zahlen.

Vertragen alle Diesel-Pkw HVO100?
Chemisch gesehen ist der Designer-Sprit konventionellem Diesel sehr ähnlich, so dass keine Probleme mit der Verträglichkeit zu erwarten sind. Allerdings sollten Autofahrer sicherheitshalber die Freigabe durch den Fahrzeughersteller abwarten. Einzelne Hersteller haben die schon erteilt, vor allem der VW-Konzern war schon sehr aktiv. Informationen dazu gibt es auf den Internetseiten der Unternehmen oder bei der Deutschen Automobil-Treuhand (www.dat.de/b10-xtl).

Wo bekomme ich HVO100?
Bislang ist die Zahl der HVO-Tankstellen in Deutschland klein. In anderen Ländern, wo der Einsatz gefördert wird, ist der neue Diesel häufiger in Reinform zu finden, insgesamt gibt es in Europa aber nur rund 2.300 Tankstellen. Ob und wie schnell die Zahl steigen wird, hängt vor allem von der Akzeptanz des Kraftstoffs ab. Generell ist allerdings die Menge an pflanzenölhaltigen Abfallstoffen für die HVO-Herstellung begrenzt. Altspeiseöle aus der deutschen Gastronomie werden beispielsweise werden schon heute komplett für die Spritproduktion verwendet. Hinzu kommt: Eine Verpflichtung die neuen Kraftstoffe anzubieten, gibt es nicht. Weil aber Super E5 und Diesel B7 überall verfügbar sein müssen und die Mineralölunternehmen ihre margenstarken Premium-Varianten wohl im Portfolio halten, dürfte es an vielen Tankstellen eng werden mit der Zahl der verfügbaren Zapfsäulen.    Holger Holzer/SP-X

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