FishernetOcean

„Ghost Diving“: Tauchen für Umwelt und Fußmatten

Nachhaltigkeit und Recycling-Material: Zwei Stichworte, die vor allem in Verbindung mit der Produktion und der deutlichen Zunahme der Zulassungen von Elektrofahrzeugen von den Herstellern immer wieder genannt werden. Dabei geht es zum großen Teil um Stoffe, die im Innenraum zum Einsatz kommen.

Ob Sitzbezüge, Verkleidungen an den Innenseiten der Türen, Armaturenträger, Dachhimmel oder Fußmatten – kaum ein neues Fahrzeug, bei dem der Hersteller nicht nachdrücklich darauf verweist, dass entweder nachwachsendes oder Recycling-Material für bestimmte Bereiche verwendet wird. Am Beispiel Hyundai zeigt sich, das es bei diesen Aussagen nicht nur darum geht, ein möglichst gutes Umweltbewusstsein zu transportieren. Denn der koreanische Hersteller unterstützt sein 2021 die Organisation Healty Seas, hat diese Partnerschaft gerade um ein weiteres Jahr verlängert. Healthy Seas hat sich auf die Bergung von verlassenen Fischernetzen spezialisiert und arbeitet dafür weltweit mit Marineexperten, Fischern und professionellen Tauchern zusammen.

Kampf gegen „Ghost Nets“

Im Hyundai Ioniq 5 kommt das Material zum Einsatz. Fotos: Hyundai

Seit der Gründung im Jahr 2013 hat die Organisation mehr als 750 Tonnen solcher Netze in den Weltmeeren eingesammelt, 180 Tonnen waren es allein im vergangenen Jahr. Dass im gleichen Zeitraum ein Vielfaches der Menge in die Weltmeere gelangt, wissen alle, die sich bei Healthy Seas engagieren. „Verlorene und aufgegebene Fischernetze sowie andere Fischereiausrüstungen machen mittlerweile etwa zehn Prozent des gesamten Plastikmülls in den Ozeanen weltweit aus. Besonders Geisternetze aus der industriellen Fischerei lassen den Müllberg immer weiterwachsen. „Für die Fischer ist der Verlust eines Netzes ein großer wirtschaftlicher Schaden. Die Netze verhaken sich an Hindernissen am Boden oder reißen sich bei einem Sturm los. Bis zu zu zehn Kilometer lang breitet sich das Material dann auf dem Meeresgrund aus – und benötigt mindestens 600 Jahre, bis es sich vollständig zersetzt hat“, erklärt Christina Wiegers, Projektmanagerin und damit auch zuständig für eine Säuberungsaktion vor der Küste Kroatiens in der Nähe von Pula.

Hyundai unterstützt diesen Tauchgang der Ghost Divers ebenso wie bereits andere zuvor. Der Name Ghost Divers, also Geister-Taucher, bezieht sich auf die geisterhaft im Meer treibenden oder an Schiffswracks und Riffs im Wasser wabernden Netzen, den deshalb so genannten Ghost Nets. Und die sind ein durchaus wertvoller Rohstoff. Denn die Nylon-Fasern können recycelt und entsprechend wieder verwendet werden. Deshalb sucht Healthy Seas auch den Kontakt zu den Fischern, um sie zur Mitarbeit zu gewinnen. Oft schon mit Erfolg. Denn immer wieder werden relativ schnell verloren gegangene Netze gemeldet, die dann möglichst schnell geborgen werden, damit sie keinen Schaden anrichten können. Außerdem setzt die Organisation auf Aufklärung, geht in Schulen, um über Umweltbelastung gerade auch durch Kunststoffe zu berichten, Kinder und Jugendliche dafür zu sensibilisieren. Viele kleine Mosaiksteinchen, die dazu beitragen sollen, die Belastung der Meere zu verbessern.

Es ist ein mühsames und langwieriges Unterfangen, für das sich die ehrenamtlichen Taucher in Richtung des hier etwa 40 bis 60 Meter tief liegenden Meeresgrunds vor der kroatischen Küste aufmachen. Es sind schließlich um die 400 Meter verlorene Fischernetze, ein alter Anker und zwei Fischreusen, die nach mehreren Stunden auf dem Deck des Schiffs liegen. Die Taucher und die Mitarbeiter an Bord sammeln nicht nur Müll auf, sondern entpuppen sich auch als Lebensretter für jede Menge Meeresbewohner. Außer Fischen und Krebse finden die Ghost Diver oft Schildkröten oder sogar Delphine, die sich in den Netzen verfangen haben. Dabei kommen die Retter häufig zu spät, da die Tiere bereits verendet sind. Nachdem die Netze gesichtet und von Verankerungen am Boden gelöst, Tiere befreit sind, wird ein Hebesack angebracht, der als Boje an der Wasseroberfläche auftaucht. Nach Abschluss der Arbeit unter Wasser wird der Meeresmüll an Bord gehievt, dort noch einmal auf lebende Meeresbewohner untersucht. Hier packt auch Schauspieler Lenn Kudrjawiski tatkräftig mit an. Er ist nicht nur Markenbotschafter Hyundais, sondern ein tatsächlich engagierter Umweltschützer und begeisterter Elektroauto-Fahrer, der zu Dreharbeiten in Kroatien von Berlin aus mit dem Ioniq 5 anreist.

Kein Öl nötig

Der Prozess ist aufwendig, aber nachhaltig.

Doch zurück zu den Netzen. Die werden zunächst in einen Container in der Nähe der Küste und wenn das Zwischenlager voll ist, in ein Lagerhaus nach Ajdovščina in Slowenien gebracht. Die riesige Halle dort gehört Aquafil – ein in Italien beheimatetes Unternehmen, das synthetische Garne sowohl für Teppiche als auch Bekleidung herstellt. „Mit Econyl haben wir es vor etwa zehn Jahren geschafft, ein komplett aus Recyclingmaterial bestehendes Nylongarn zu entwickeln“, sagt Aquafil-Sprecherin Martina Santoni. Allerdings könne dafür als Grundstoff ausschließlich Nylon 6 verwendet werden. Angeliefert werden hier aber alle Sorten von Plastikabfällen. Dazu zählen Teppichreste ebenso wie Bekleidung und Taschen – auch von Marken wie Prada oder Gucci – Industrieabfälle und eben auch Fischernetze. Hier machen jedoch die Betreiber von Aquakulturen in Skandinavien den Großteil aus, da die ihre Netze regelmäßig austauschen.

Healthy Seas liefert dagegen einen vergleichsweise kleinen Prozentsatz. Alle Plastikabfälle werden von Aquafil zunächst geschreddert, werden dann in eine Fabrik in der Nähe der slowenischen Hauptstadt Ljubljana transportiert. In mehreren recht aufwändigen Arbeitsschritten entsteht dann letztlich das Garn. Dazu wird das geschredderte Material extrem hoch erhitzt, um die chemischen Verbindungen aufzubrechen. Nach der Abkühlung laufen bereits Fäden aus der Maschine. Die aber sind noch längst nicht das Endprodukt. Denn die Fänden werden noch einmal zu feinkörnigem Granulat zerhackt. Das wird erneut eingeschmolzen und in einem geschlossenen System behandelt ehe dann feinste Fäden die Produktionsstraße verlassen. Die Verbindung mehrerer solcher hauchdünnen Fäden ergeben dann letztlich den Econyl-Faden, der unterschiedlich eingefärbt sein kann und auf Rollen für den Versand bereit ist.

Martina Santoni weist auf die Vorzüge des Garns hin: „Für Econyl wird kein neues Öl benötigt. Der chemische Prozess kommt ohne eine solche Zugabe aus. So werden aus einen Kilogramm Abfall 900 Gramm Econyl. Zudem lassen sich die Produkte immer wieder recyceln.“ Das wissen die oben genannten Modemarken wie Gucci und Prada durchaus zu schätzen, fertigen inzwischen Taschen, die komplett aus Econyl bestehen. Und auch einige Autohersteller setzen auf dieses Material. Hyundai beispielsweise setzt im Ioniq 5 sowie im in Kürze folgenden neuen Ioniq 6 ausschließlich aus Econyl gefertigte Fußmatten ein, führt damit die mit Healthy Seas eingegangene Partnerschaft konsequent weiter. Zu den Kunden von Aquafil zählen außerdem BMW, Cupra, Jaguar Land Rover, Mercedes, Porsche und Volvo. WS/Titelfoto: StockSnap

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *