Der Lucid Air Sapphire leistet 920 kW und lässt die Konkurrenz hinter sich. Ein extremes Auto für einen extremen Preis.
Die Liga der Über-1000-PS-Elektroautos ist spärlich besetzt. Wir kennen den Porsche Taycan Turbo GT (1.034 PS) sowie den Tesla Model S Plaid mit 1.020 PS. Doch nun gibt es Zuwachs – und der setzt sich gleich an die Spitze der Kraftprotz-Liga. Mit 920 kW/1.251 PS ist die amerikanische Limousine Lucid Air Sapphire eines der weltweit stärksten Serienfahrzeuge. Die Elektro-Rakete sprintet in 2,0 Sekunden auf 100 km/h, in 13 Sekunden steht die 300 auf dem Tacho.
Allerdings kennt jeder Porsche und Tesla – doch Lucid? Schweifen wir ein wenig ab. Lucid Motors wurde 2016 im Silicon Valley gegründet, produziert wird in Arizona. Und wie bei Amerikanern üblich, ging’s dabei gleich um Superlative. „Wir sind angetreten, das beste Auto der Welt zu bauen“, sagt Chefentwickler und Vizepräsident Eric Bach.

Hinter dem Unternehmen steht ein Konsortium aus US-amerikanischen Investoren sowie einem saudi-arabischen Staatsfonds, der die Mehrheit hält. Vor drei Jahren kam das erste Modell auf den Markt. Seit 2024 ist die 4,98 Meter lange Limousine Air zu Preisen ab 85.000 Euro und mit bis zu 960 Kilometern Reichweite auch in Deutschland erhältlich, wo sie im Elektro-Premiumsegment gegen Modelle wie Mercedes EQE beziehungsweise EQS, Porsche Taycan oder BMW i5 antritt.
Lucid Air Sapphire: Laden mit 300 kW
Akku, Antrieb, Software, Beleuchtung: Die Amerikaner entwickeln und produzieren einen Großteil der Technik selbst. Bis hin zu dem intern „Wunderbox“ genannten Lademanagement-System. Abgesehen von den Wechselrichtern an den Motoren integriert es alle wesentlichen Komponenten in einem Gehäuse und ist deshalb sehr leicht. 900-Volt-Technik ermöglicht extrem schnelles Laden mit über 300 kW. Auch bidirektionales Laden ist möglich.
Das Unternehmen will aber nicht nur Autos produzieren, sondern auch als Technologiezulieferer für andere Automobilhersteller agieren. Erste Erfolge stellen sich ein, die Komponenten sind gefragt. So bestellte die britische Sportwagenschmiede Aston Martin einen Großteil der Antriebstechnik ihres ersten E-Modells. Und auch die Elektro-Rennwagen der weltweiten Formel-E nutzen Technik aus Arizona. Auch weil der Lucid-Elektromotor mit integriertem Getriebe als einer der effizientesten und leichtesten überhaupt gilt.

Die Fabrik in Arizona ist auf eine Jahreskapazität von 90.000 Fahrzeugen ausgelegt. Doch davon ist man noch weit entfernt. Bisher sind weltweit erst rund 30.000 Air auf den Straßen unterwegs, und in Deutschland wurden die ab 85.000 Euro teuren Limousinen bisher nur in homöopathischen Stückzahlen verkauft. Was nicht verwundert, denn vorerst hat sich Lucid in Europa mit acht Händlern und sechs Servicebetrieben auf die kaufstärksten E-Auto-Märkte Deutschland, Schweiz, Norwegen und die Niederlande konzentriert. Wenigstens sollen mobile Werkstattteams den Kunden bei Problemen lange Anfahrten zum Service ersparen. Allerdings will die Marke ihr Netz schnell auf 20 Standorte allein in Deutschland ausbauen und vor allem Händler von Premiummarken wie Mercedes, BMW oder Porsche für ihre Produkte gewinnen.
Bald kommt ein drittes Modell
Genauso schnell soll die Modellpalette wachsen. Die Produktion der zweiten Modellreihe Gravity ist im Winter angelaufen. Der 800 PS starke Siebensitzer mir rund 700 Kilometern Reichweite soll allerdings erst 2026 nach Europa kommen. Dann ist auch das zweite Werk der Amerikaner in Saudi-Arabien fertig. Das Gros seiner Kapazität von 120.000 Fahrzeugen wird jedoch auf das dritte Modell der Marke entfallen, für das Lucid eine weitere Plattform entwickelt. Das Mittelklassemodell kommt als Limousine und Crossover-SUV, soll deutlich günstiger als Air und Gravity werden und deshalb ein breiteres Publikum ansprechen.
Doch jetzt ergänzt erst einmal der Sapphire als viertes Modell die Air-Baureihe. Bisher besteht die aus dem Pure mit Heckantrieb und 88 kWh großem Akku sowie den beiden Allradversionen Touring und Grand Touring. Für Technikchef Bach ist der Sapphire das „Sahnestück“. Technisch basiert die Supersport-Limousine auf dem Grand Touring. Um die Leistung um 420 PS auf 1.251 PS zu erhöhen, bekommt er einen zweiten Heckmotor.

Abgesehen vom kleinen Heckspoiler und kaum sichtbaren Strömungslenkern am Boden der Karosserie unterscheidet sich der grundsätzlich blau lackierte Sapphire kaum von den anderen Modellen. Dafür steckt jede Menge Feinarbeit in Fahrwerk und Abstimmung. Adaptive Dämpfer von Bilstein, steifere Federn und extrem hitzebeständige Keramikbremsen sollen die 330 km/h schnelle Limousine bei Bedarf sogar fit für die Rennstrecke machen. Elektrisch vielfach verstellbare Sportsitze mit aufblasbaren Seitenwangen krallen den Körper bei extremen Kurvengeschwindigkeiten in Position, das veloursbezogene Lenkrad sorgt für den Grip, wenn das Adrenalin den Schweiß fließen lässt. Was angesichts der brachialen Beschleunigung ziemlich schnell passiert.
Viele technische Feinheiten für die Rennstrecke
Das Fahrwerk hat einen negativeren Sturz als die normalen Air-Modelle, die Räder neigen sich oben minimal Richtung Fahrwerk. Deshalb rollt der Wagen geradeaus auf der dem Fahrzeug zugewandten Seite der Lauffläche, deren rollwiderstandsarme Gummimischung für die Reichweite des Stromers sorgen soll. In Kurven liegt das Gewicht des Wagens eher auf der äußeren Hälfte des Reifens, wo Michelin extrem weiches und griffiges Gummi für hohen Grip einsetzt.
Für den heißen Ritt auf dem Kurs hat Bachs Team die Fahrprogramme angepasst und einen Track Mode eingebaut. Den kann der Pilot in drei Abstimmungen wählen. In „Dragstrip“ steht für kurze Zeit die volle Leistung von1.251 PS zur Verfügung, beispielsweise für die berühmten Quartermile-Beschleunigungsrennen. „Hot Lap“ begrenzt die Maximalleistung auf 1.017 PS – genug für zwei, drei sehr schnelle Runden auf einem kürzeren Kurs. Wer seinen Sapphire beim Langstreckenrennen beziehungsweise auf langen Pisten wie der Nordschleife auslaufen lassen will, wählt „Endurance“. Dann sollen maximal 777 PS garantieren, dass das System nicht wegen Überhitzung in die Knie geht.

Keine Frage, der Sapphire ist ein extremes Auto, mit Fahrleistungen jenseits allem, was man auf der Straße braucht. Ohne dabei aber die Alltagstauglichkeit zu beeinträchtigen. „Ich fahre in dem Auto jeden Morgen völlig entspannt meine Kinder zur Schule und weiter ins Büro“, sagt Bach. „Wir wollten keinen Rennwagen entwickeln, sondern ein Auto, mit dem man auch auf die Rennstrecke kann.“
Das ist geglückt. Abseits des Tracks fährt sich der Sapphire wie die anderen Air-Modelle: schnell, leise, komfortabel. Reichlich Platz vorne, fürstliche Beinfreiheit hinten und ein hochwertig eingerichteter Innenraum sorgen fürs Wohlbefinden. Erwähnenswert ist auch die Abstimmung von Fahrwerk und Fahrassistenten, bei der sich Bachs Team spürbar nach Stuttgart und Zuffenhausen geschielt haben. Alle Helfer halten sich dezent zurück, greifen nur sanft ein, ohne auch nur ansatzweise zu nerven.
Der Preis hat es in sich
Allerdings kostet der Spaß glatte 250.000 Euro. Dafür packt Lucid alles rein, was bei den anderen Modellen extra kostet. Trotzdem ist der Air Sapphire immer noch 104.000 Euro teurer als das bisherige Topmodell Grand Touring. Viel Geld für eine Marke, die ihren Exotenstatus noch nicht einmal ansatzweise abgelegt hat. Hanno Boblenz/SP-X
Lucid Air Sapphire – Technische Daten:
Viertürige Oberklasselimousine mit fünf Sitzen; Länge: 5,02 Meter, Breite: 1,94 Meter (mit Außenspiegel: 2,20 Meter), Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,96 Meter, Kofferraumvolumen: 627 + 283 l (Frunk).
Drei E-Motoren mit 920 kW/1.251 PS, Drehmoment: 1.430 Nm, 0-100 km/h: 2,0 s, Vmax: 330 km/h, Verbrauch: k. A., Akkugröße: 118 kWh, Reichweite: 694 km (WLTP), Ladeleistung: 22 kW (AC)/300 kW (DC), Preis: 250.000 Euro.
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