Dieselskandal

Medien: Abgasskandal muss neu aufgerollt werden

Abgasskandal: Laut „Spiegel“ und „BR“ soll die Industrie bereits 2006 die Manipulationen im großen Stil geplant haben. Auch BMW betroffen.

Die Geschichte des Diesel-Abgasskandals muss nach Berichten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und des Bayerischen Rundfunks (BR) vom 17. November 2022 neu geschrieben werden. Die Automobilindustrie soll demnach die Abgasmanipulation der Dieselfahrzeuge bereits ab 2006 im großen Stil geplant haben. Spiegel und BR werteten Unterlagen des Automobilzulieferers Bosch aus. Die Hersteller VW, Audi, Porsche, BMW, Mercedes-Benz, Fiat und Toyota sollen bei der Robert Bosch GmbH 44 Abschalteinrichtungen für Dieselmotoren bestellt haben.

Bosch-Ingenieure haben in den vorliegenden Unterlagen 2006 und 2009 darauf hingewiesen, dass die den Autoherstellern gelieferten Funktionen für illegale Zwecke genutzt werden können. Mit Hilfe der Abschalteinrichtungen werden die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten. Im normalen Straßenverkehr wird die Umwelt verpestet und die Gesundheit der Bürger gefährdet.

Auch BMW soll Abschalteinrichtungen bestellt haben

Spiegel und BR haben im Diesel-Abgasskandal eine Bombe platzen lassen. Beide berichten übereinstimmend aus geheimen Unterlagen, dass der Automobilzulieferer Bosch nach eigenen Untersuchungen 44 „sensible Funktionen“ identifiziert, die möglicherweise gegen Behörden-Bestimmungen verstoßen. Vor allem Diesel-Aggregate dürften danach betroffen sein, aber auch Benzin-Motoren, heißt es beim BR.

Bosch führt in einem sechsseitigen Dokument tabellarisch auf, welche Software-Funktionen das Unternehmen für welche Automobilhersteller programmiert hat: VW, Audi, BMW, Daimler, Porsche, auch Hersteller aus dem Ausland, darunter Fiat und Toyota. Erschreckend dabei: Bosch listet zum Beispiel eine Funktion mit der Bezeichnung „SCR dosing limitation“ auf. Diese reduziert die bei SCR-Katalysatoren zur Diesel-Abgasreinigung notwendige Zuführung von Harnstoff („AdBlue„) – „über Bauteilschutzgründe hinaus“. Das Fahrzeug ist folglich deutlich schmutziger unterwegs als möglich. Letztlich heißt das, dass auch die als sauber geltenden AdBlue-Motoren manipuliert werden. Bosch hat damit Daimler und Fiat beliefert.

Audi, VW und BMW bekamen zwei weitere Funktionen mit den Bezeichnungen „SCRLdG_Main“ und „SCR-Füllstandsregler“ geliefert. Nach dem Bosch-Dokument zufolge sorgen diese Funktionen dafür, dass das System bei der Abgas-Reinigung weniger Harnstoff verbraucht. Aufgrund der Bosch-Unterlagen erhärtet sich der Verdacht, dass auch BMW bei seinen Motoren die Abgasreinigung manipuliert. Der Münchener Autobauer betonte seit Beginn des Dieselskandals wiederholt, niemals unzulässige Abschalteinrichtungen in seinen Modellen eingesetzt zu haben.

Deutsche Umwelthilfe: Abgasskandal seit 2006 geplant

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat die Bosch-Dokumente, die laut BR ein Insider ihr zugespielt hat, der Staatsanwaltschaft Stuttgart zur Verfügung gestellt. Bereits 2019 musste Bosch aufgrund der Rolle im Dieselskandal eine Geldbuße in Höhe von 90 Millionen Euro bezahlen. Bosch habe, so die Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung, „ab 2008 circa 17 Millionen Motorsteuergeräte und Dosiersteuergeräte an verschiedene in- und ausländische Hersteller ausgeliefert, deren zugehörige Software teilweise unzulässige Strategien enthielt“.

Für Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Deutsche Umwelthilfe (DUH) seit Jahren bei verschiedenen Diesel-Gerichtsverfahren vertritt, zeigen die jetzt aufgetauchten Dokumente, „dass man bei Bosch wusste, was man in rechtlicher Hinsicht tat. Zu den Funktionen wird jeweils mitgeteilt, warum diese „potenziell kritisch“ sind. Dies beweist ein hohes Unrechtsbewusstsein. Niemand wird sich nun damit herausreden können, dass man nicht wusste, was man tat“.

Klinger weist auch auf Dokumente aus den Jahren 2006 und 2009 hin. In beiden geht es um die Software-Programmierung von SCR-Systemen. Darin betont Bosch: „Applikationsverantwortung sowie Rechtfertigung der Funktion selbst liegt beim Kunden“. Mögliche Konsequenzen für den Fall, dass Behörden entsprechende Funktionen für unzulässig halten, schildert Bosch in dem Dokument vom 2. November 2009. So habe Toyota 2002 in den USA wegen einer Manipulation („Tankleckdiagnose“) 15 Millionen US-Dollar zahlen müssen. Und: „Alle 150.000 Fahrzeuge im Feld mussten nachgearbeitet werden.“ Titelfoto: Daimler

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