Rekordfahrt EQXX

Mercedes Vision EQXX schafft Rekordfahrt

Rekordfahrt: Mercedes hat mit dem straßenzugelassenen Vision EQXX exakt 1008 Kilometer rein elektrisch zurückgelegt – ohne Ladestopp.

Diese Reichweite ist fraglos überragend. Exakt 1.008 Kilometer im realen Alltagsverkehr hat der 4,98 Meter lange, 1,87 Meter breite und 1,35 Meter hohe Vision EQXX mit einem Radstand von 2,80 Metern zurückgelegt – mit einer einzigen Batterieladung. Mit dem Startpunkt Sindelfingen ging es am 5. April über die Schweizer Alpen und Norditalien bis nach Cassis an der Côte d’Azur. Der Ladezustand des Akkus bei der Ankunft betrug noch etwa 15 Prozent, die Restreichweite somit um die 140 Kilometer. Der Durchschnittsverbrauch von 8,7 kWh pro 100 Kilometer übertraf damit sogar die Anforderungen. Das Projekt-Team hat auf einen Wert von knapp unter zehn kWh gehofft.

Insgesamt 8,7 kWh Verbrauch

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Los ging´s in Sindelfingen bei Regen und 3 Grad Außemtemperatur.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 87 Kilometer pro Stunde. Die echte Fahrzeit betrug bei elf Stunden und 32 Minuten. Zwölf Stunden und zwei Minuten waren es inklusive der Fahrerwechsel. Angetrieben wird der Vision EQXX von einem 180 kW (245 PS) starken E-Motor. Begleitet wurde die Langstreckenfahrt von einem unabhängigen Sachverständigen des TÜV Süd, der mehr oder weniger als Kontrolleur mit von der Partie war. Zudem war die Ladesteckdose vor Fahrtantritt versiegelt worden.

Das Gewicht: 1.755 kg

Gerade einmal zwei Jahre hatte es vom „Go“ des Vorstands für das Projekt bis zum Start der Rekordfahrt in Sindelfingen gedauert. Das Streckenprofil – von Autobahnetappen in Deutschland bis Tempo 140 bis hin zu Bergpassagen und Baustellen – und die Wetterbedingungen stellten das lediglich 1.755 Kilogramm schwere Auto vor ziemliche Herausforderungen. Die Temperaturspanne reichte von nur drei Grad Celsius bei der Abfahrt am Forschungs- und Entwicklungszentrum in Sindelfingen bis zu 18 Grad Celsius am Ziel. Nördlich der Alpen regnete es leicht und weiter südlich wehte bei Sonnenschein ein leichter Wind. Los ging es bei Kälte und Regen, der EQXX fuhr die regulären Geschwindigkeiten und war auf deutschen Autobahnen zeitweise auch mit bis zu Tempo 140 auf der Überholspur unterwegs. Die Strecke führte über Zürich, Mailand, Genua, Nizza bis nach Cassis.

Überragender cW-Wert

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Der Verbrauch lag bei 8,7 Liter je 100 Kilometer.

Möglich war die Rekordfahrt nur, weil vom ersten Moment der Entwicklung an alles auf höchstmögliche Effizienz ausgelegt wurde. „Wir sind in allen Bereichen an die Grenzen des Machbaren gegangen“, so die Projektverantwortlichen. Die Summe dieser Maßnahmen, an der Spezialisten bis hin zur Formel-1-Abteilung des Konzerns in Großbritannien beteiligt waren, ergab schließlich einen cW-Wert von 0,17. Das haben bisher nur Fahrzeuge mit komplett oder zumindest teilweise verkleideten Radhäusern sowie extrem gezeichneter Karosserie erreicht. Darauf haben die Designer in diesem Fall verzichtet.

Bestmögliche Aerodynamik

Andere Kompromisse aber waren für eine bestmögliche Aerodynamik unausweichlich. Die weltbeste Aerodynamik unter Fahrzeugen mit Straßenzulassung resultiert aus dem intelligenten Zusammenspiel vieler Einzelmaßnahmen, angefangen bei der Grundform der Karosserie, die die glattflächige Kuppel des Greenhouse integriert und elegant wie ein Wassertropfen nach hinten fließt. So bietet das Auto mit der weltbesten Aerodynamik unter Fahrzeugen mit Straßenzulassung dem Wind kaum eine Angriffsfläche. Wichtig zudem die kleine Stirnfläche von 2,12 Quadratmetern sowie die verringerte hintere Spurbreite. Sie ist 50 Millimeter schmaler als vorne, wodurch die Hinterräder im Windschatten der Vorderräder rollen. Die neue Reifendimension 185/65 R 20 97 T steht zudem für einen großen Durchmesser bei schmaler Lauffläche.

Rollwiderstandsarme Reifen

Rekordfahrt EQXX
Unterwegs hatte der EQXX mit den gewöhnlichen Schwierigkeiten des Reiseverkehrs zu kämpfen.

Die speziellen Turanza Eco-Reifen kombinieren zwei innovative Technologien von Bridgestone, die eine höhere Reichweite ermöglichen: Die sogenannte „Enliten“-Technologie reduziert Rollwiderstand und Gewicht um bis zu 20 Prozent. Die „Ologic“-Technologie verringert die Verformung des Reifens während der Fahrt – unter anderem durch einen stärker gespannten Reifengürtel. Darüber hinaus wurde in Zusammenarbeit mit dem Aerodynamik-Team von Mercedes-Benz der Strömungsübergang vom Reifen, der mit mehr als drei bar Druck gefahren wurde, zur aus Magnesium gefertigten Felge optimiert. Ein aktiver Heckdiffusor, der bei Tempo 60 automatisch erst ein wenig nach unten, dann um 200 Millimeter nach hinten ausfährt, sorgt außerdem für eine bessere Luftführung und trägt somit maßgeblich zum verminderten Luftwiderstand bei.

Leichtbau und Rekuperation

Weitere Bausteine für den niedrigenVerbrauch und die damit verbundene Reichweite sind Leichtbau und Rekuperation. Beispielhaft dafür stehen der nachhaltige Kohlenstofffaser-Zucker-Verbundwerkstoff, aus dem das Oberteil der Batterie besteht und der auch in der Formel 1 eingesetzt wird, sowie der im Aluminium-Gussverfahren hergestellte Heckboden. Das Leichtmetall-Strukturbauteil mit bionischen Strukturen ersetzt eine deutlich schwerere Baugruppe aus mehreren miteinander verbundenen Teilen. Es hat Lücken an Stellen, an denen keine strukturelle Festigkeit notwendig ist und spart so Material. Dieser Konstruktionsansatz führt zu einer Gewichtseinsparung von bis zu 20 Prozent gegenüber einem konventionell gefertigten Bauteil.

Extrem kompakter Akku

Am Ziel in Cassis: Die Rekordfahrt war ein voller Erfolg.

Ein großer Teil der Gewichtseffizienz geht auch auf das Konto des rein elektrischen Fahrwerks mit leichtem F1-Hilfsrahmen und Aluminium-Bremsscheiben sowie der Traktionsbatterie. Der neu entwickelte Stromspeicher des Vision EQXX hat mit 100 kWh fast die gleiche Energiemenge wie der Akku des EQS. Allerdings hat er deutlich weniger Volumen und 30 Prozent weniger Gewicht. Der Effekt: Die kompakte, nur 200 x 126 x 11 Zentimeter große und mit 495 Kilogramm vergleichsweise leichte Batterie passt in einen Kompaktwagen. Der elektrische Antrieb, bestehend aus Elektromotor, Getriebe und Leistungselektronik, wurde in Zusammenarbeit mit den Experten vom Mercedes-AMG Petronas F1 Team entwickelt.

Hohe Energiedichte

Den Ingenieuren ist es dabei gelungen, die Gesamtverluste im Triebstrang gegenüber einem E-Antrieb, der nicht auf diesem Projekt basiert, um 44 Prozent zu reduzieren. Das führt zu mehr Reichweite. Diesen Effekt unterstützt auch die Batterie dank ihrer Energiedichte von knapp 400 Wh/l und der besonders hohen Betriebsspannung von mehr als 900 Volt. Vor allem bei der Anfahrt zum Gotthard-Tunnel Richtung Italien zeigten sich die Vorteile des Leichtbaus eindrucksvoll. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Amsteg und Göschenen geht es 14 Kilometer am Stück bergauf, mit bis zu fünf Prozent Steigung. Hier, wo jedes Gramm an Mehrgewicht Energie frisst, konnte der Vision EQXX mit seinem Leergewicht von lediglich 1.755 Kilogramm nachhaltig profitieren.

Bremsscheiben aus Aluminium

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Unser Autor Wolfgang Schäffer durfte in Cassis eine Runde im EQXX mitfahren.

Hinter dem Gotthard-Tunnel geht es kilometerweit bergab. Hier nutzte der Wagen die Gunst der Stunde und regenerierte seine Energiereserven. Bei Elektroautos spricht man von Rekuperation, der Rückgewinnung von Bremsenergie. Auch in dieser Disziplin setzt der Vision EQXX dank seines hocheffizienten elektrischen Antriebsstrangs neue Maßstäbe. Dank elektrischer Bremse werden die mechanischen Bremsen kaum beansprucht. Das wiederum ermöglicht es erstmals, neuartige Alu-Bremsscheiben einzusetzen, die deutlich weniger wiegen als solche aus Stahl. 117 fest eingebaute Solarzellen im Dach speisen die 12-Volt-Batterie, die Nebenverbraucher wie das Navigationssystem mit Strom versorgt. Die Hochvoltbatterie wird entsprechend entlastet, die Reichweite erhöht sich um mehr als zwei Prozent.

Alles andere als Verzicht

Während einer etwa 30 Kilometer langen Taxifahrt mit dem Vision EQXX in Südfrankreich nur wenige Tage nach der Ankunft haben wir festgestellt, dass der Wagen alles andere als ein Verzichtsauto ist. Vorne ist es bequem, es gibt viel Platz und das Panel des Armaturenträgers entpuppt sich als riesiges und überaus informatives Display, das von A-Säule zu A-Säule reicht. Elemente der Benutzeroberfläche unterstützen die nahtlose Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug. Unter anderem durch Künstliche Intelligenz (KI), die die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachahmt. Selbst Windrichtung, Windstärke und Luftströmung am Auto sind zu sehen. Zwar sind die hinteren Türen trotz der beiden eingebauten Sitze nur Show. Sie lassen sich nicht öffnen.

Beeindruckend während der Fahrt auf dem Beifahrersitz ist der geringe Rollwiderstand des Autos, das auf gerader Strecke kaum an Tempo verliert, wenn der rechte Fuß vom Beschleunigungspedal geht. Das Fahrwerk ist komfortabel, lässt zudem auch recht flotte Kurvenfahrten zu. Die und einige Zwischensprints ergaben bei ansonsten immer am oberen Bereich des Tempolimits gefahrenen 30 Kilometern einen Durchschnittsverbrauch von 9 kWh.

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