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Peugeot feiert 80 Jahre Elektro-Antriebe

Schon vor 80 Jahren baute Peugeot erstmals ein E-Auto, den VLV. Dessen Produktion wurde aber bald verboten. Ein Rückblick.

Es ist die traditionelle Offenheit gegenüber neuen Antriebstechnologien, die dazu beigetragen hat, dass Peugeot alle Stürme der Zeit überstand und die den heute zweitältesten noch existierenden Automobilhersteller selbstsicher das Ziel kommunizieren lässt, in gut drei Jahren nur noch elektrifizierte Fahrzeuge zu verkaufen. Tatsächlich steht die Marke mit dem Logo des Löwen schon seit Juni 1941 unter Strom, als ein kleines Elektro-Cabriolet mit dem kryptischen Modellcode VLV (voiture légère de ville/Titelfoto) mitten im Zweiten Weltkrieg in französischen Metropolen zum Auto der Ärzte und Rechtsanwälte avancierte, aber auch die französische Post motorisierte.

Die Marktführung im Blick

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In Kooperation mit dem Batteriehersteller Saft baut Peugeot vollelektrische 205. Fotos: Peugeot

Dem im Werk La Garenne produzierten 2,67 Meter kurzen und 1,21 Meter schmalen Zweisitzer genügte eine Leistung von zwei Steuer-PS (1,5 kW) für eine city-taugliche Vmax von 32 km/h und eine lokal emissionsfreie Reichweite von 80 Kilometern dank vier in Reihe geschalteter Zwölf-Volt-Batterien. Trotz der kriegsbedingten Materialknappheit konnte Peugeot 377 Einheiten des VLV verkaufen, dann verboten die Behörden die Produktion. Bei Peugeot setzte dieser zweisitzige Elektro-Pionier dennoch die Initialzündung zu vielen weiteren originellen und schicken Stromern wie den Cityflitzern 104, 205, 106 oder Ion, mit denen die Franzosen ab den 1980er Jahren allmählich zum weltweit größten E-Auto-Hersteller aufstiegen – bis sie von Tesla überholt wurden. Für Peugeot Ansporn, als Teil der Stellantis-Holding heute wieder um die Führung bei den Stromern zu kämpfen.

Von Innovationsgeist getrieben

Automobilpionier Armand Peugeot war vom Innovationsgeist getrieben: Nur wer sein Unternehmen immer wieder neu erfinde, gehe in eine erfolgreiche Zukunft, erklärte der Patriarch schon Ende des 19. Jahrhunderts, und dieser Devise folgte ab 1915 auch sein Neffe und Nachfolger Robert Peugeot, der das Familienunternehmen mit revolutionären Technologien durch wirtschaftlich sehr wechselhafte Zeiten führte – bis schließlich 1938 jedes vierte französische Auto einen Löwen am Kühlergrill trug. Darunter befanden sich die ersten in größerer Zahl gebauten Diesel-Pkw der Grande Nation, und auch mit der Elektromobilität hatte Peugeot früh Erfahrungen gesammelt.

1941: Der VLV geht in Serie

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Der Peugeot J5 geht 1989 als Transporter mit E-Motor und 28 Nickel-Cadmium-Akkus, die 70 Kilometer Reichweite ermöglichen, in Kleinserie .

Schon die 1893 in Paris eingeführte Elektromotorkutsche von Jeantaud und Raffard faszinierte Armand Peugeot, aber angesichts fehlender Ladeinfrastruktur und geringer Reichweite der Batteriemobile konzentrierte er sich vorläufig auf Verbrenner. So lag es an Robert Peugeot, 1917 mit der Forschung und 1926 mit der Erprobung von elektrifizierten Nutzfahrzeugen zu beginnen, zeitgleich zum sensationellen Markterfolg der winzigen, leichtgewichtigen und zweisitzigen Peugeot-Quadrilette-Modelle. Diese Quadrilette-Typen mit Benzinmotor inspirierten den pfiffigen und trotz Bleibatterien nur 365 Kilogramm wiegenden VLV von 1941, der in Friedenszeiten vielleicht als Cabrio-Haute-Cuisine für avantgardistische Großstädter reüssiert hätte.

1972: Kooperation mit Alsthom

So aber verschwand der VLV 1943 erst einmal im Museum – bis das Thema Elektromobilität um 1970 neue Aktualität gewann. Nun waren es zunehmend schärfere Emissionsvorschriften und das Smogproblem in Ballungsräumen, die weltweit eine kaum mehr überschaubare Typenschau an Elektro-Prototypen hervorbrachten. Peugeot kooperierte ab 1972 mit der Energiesparte von Alsthom und brachte das von Pininfarina couturierte City-Coupé 104 mit Bleiakkus in Fahrt, aber auch den Transporter J7.

1983: City-Stromer 205 in Kleinserie

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Mit dem Concept-Car Tulip – „Transport Urbain Libre Individuel et Public“ – offeriert Peugeot 1995 ein Nutzungsabonnement für elektrische Stadtautos.

Allein, die Fortschritte in der Batterietechnik ließen weiter zu wünschen übrig, und so verging ein weiteres Jahrzehnt bis zum nächsten ambitionierten Projekt unter der Agenda „Zweimal Hundert“: 100 Kilometer Reichweite bei 100 km/h Durchschnittstempo, umgesetzt mit Batteriehersteller Saft im Sympathieträger 205. Dieser schicke Mini für den Großstadtboulevard befreite Peugeot als größten Autobauer Europas damals aus einer Finanzkrise und brachte den Diesel-Kleinwagen erstmals in Massenauflage – aber den City-Stromer nur in Kleinserie.

1992: Der elektrische 106

Auch den folgenden E-Nutzfahrzeugen, 1989 debütierte der Kastenwagen J5 und 1998 der Hochdachkombi Partner Electric als Carsharing-Experiment für Handwerker und Lieferdienste, fehlte es an nachhaltigem Schwung. Im Jahr 1991 wurde emissionsfreies Fahren dann doch kurzzeitig ein Topthema. Die IAA in Frankfurt stand unter E-Power, dort waren Showcars wie BMW E1, Volkswagen Chico, Opel Astra Impuls und ein elektrischer Mercedes 190 Publikumsmagneten. Und was gab es bei Peugeot? Die Marke aus Sochaux präsentierte große Löwen-Pläne, verkörpert durch drei visionäre Projekte. Der 405 Break V.E.R.T.1 überraschte als Diesel-Hybrid-Pionier, bei dem zwei Gleichstrommotoren auf die Hinterräder wirkten und durch ein Diesel-Stromaggregat über Batterien mit Energie versorgt wurden. In deutschen Städten bewährte sich der Transporter J5 mit 28 Nickel-Cadmium-Akkus, vor allem aber hob der elektrische Peugeot 106 richtig ab.

1995: Tulip – seiner Zeit voraus

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Auf dem Pariser Salon im Jahr 2000 debütieren vier Concept Cars und unter dem Namen City Toyz laufen – darunter der elektrische Peugeot e-doll.

Dieser stilsicher gezeichnete Kleinwagen katapultierte die Marke Peugeot auf Platz eins in den Elektroauto-Verkaufscharts, dafür genügten 10.000 Peugeot mit Ladekabel, die bis 2003 ausgeliefert wurden. Zu den mutigen E-Impulsgebern des ausklingenden 20. Jahrhunderts zählten aber auch das schicke Versuchsfahrzeug Peugeot Ion für den Bummel über Shoppingmalls, der im Auto-Abo angebotene, gerade einmal 2,20 Meter lange Peugeot Tulip („Transport Urbain Libre Individuel et Public“) und der verwegene Strandbuggy-Prototyp Touareg mit elektrischem Allradantrieb, der als emissionsfreier 4×4 seiner Zeit um gut 25 Jahre voraus eilte. Konnte es da noch eine Steigerung geben? Aber klar, meinte Peugeot-Chefdesigner Gérard Welter und zeigte im Jahr 2000 die fantasievollen City Toyz. Unter Strom stehende Prototypen, die als verwegener e-doll mit Motorrad-Lenkstange und aufregender Bobslid mit Joystick-Steuerung Lebensfreude in das Verkehrsgewühl französischer Städte bringen sollten, ähnlich wie Kei-Cars in Japan.

2009: Der iOn kommt

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2010 erfolgt die Markteinführung des Peugeot iOn.

Tatsächlich war es dann 2009 ein Kei-Car, das den Schritt in die echte Massenproduktion von Elektroautos brachte: Noch vor dem Start von Nissan Leaf oder Tesla Model S lancierte Mitsubishi 2009 den fünftürigen i-MiEV, der in Europa als geklonter Peugeot iOn (und Citroen C-Zero) die heutige Ära vollelektrischer Volksautos einleitete. Rund 35.000 Euro kostete dieser Bonsai-Pkw damals, dafür gab es alternativ rechnerisch dreieinhalb Kleinstwagen vom Typ Peugeot 107. Andererseits: Null Emissionen in Serie, verpackt in auffällige Couture, diesen Werbewert ließen sich umweltbewusste Firmen von Beginn an viel kosten.

Welche Anziehungskraft adrenalinhaltige E-Sportler besitzen, demonstrierte ab 2008 der Tesla Roadster. Peugeot konterte 2010 zumindest mit einem Concept: Der EX 1 sprintete in 2,24 Sekunden auf 100 km/h, das war Weltrekord. Seit 2019 sind Elektromotoren bei Peugeot endgültig neue Normalität, wie etwa die Modelle 208 und 2008 zeigen. Ob Benziner, Diesel oder E-Antrieb: Die Kunden haben die Wahl. Vorläufig, denn die Verbrenner sind auch bei Peugeot angezählt. Wolfram Nickel/SP-X

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