Der Ford Explorer baut auf der MEB-Plattform von VW auf, was kein Nachteil ist. Im Gegenteil: Im Test schlägt er sich tadellos. Fast.
Bei Ford in Köln stehen die Zeichen derzeit auf Streik. Der Grund: Die Belegschaft befürchtet große Personaleinschnitte aufgrund des schleppenden Absatzes von E-Autos der Marke, die im Werk am Rhein gebaut werden. Jüngste Zahlen geben aber einen Grund zum Aufatmen: Mit einem Plus von knapp 300 Prozent war Ford im Segment der reinen E-Pkw (BEV) in den ersten vier Monaten des Jahres die am stärksten wachsende Marke in Deutschland. Der Grund hierfür dürften die Modelle Explorer und Capri sein, die in den vergangenen Monaten in den Markt gestartet sind.

Und Mut macht auch, dass der Explorer, der sich jüngst als Testkandidat in der Redaktion vorstellte – so viel sei schon verraten – einen durchaus guten Eindruck hinterließ. In unserem Test-Tagebuch haben wir bereits ausführlich berichtet. In diesem Abschlussbericht wollen wir zudem Betrachtungen zu Preisen und Kosten anstellen – doch dazu später mehr.
Beginnen wir beim Grundlegenden. Der Explorer stellte sich in der Long-Range-Variante vor, also mit 77-kWh-Akku. Wichtig zu wissen ist auch, dass der Kölner im Rahmen einer umfassenden Kooperation auf die MEB-Plattform von VW aufbaut und dessen sehr effiziente Antriebseinheit namens APP550 nutzt.
Viele Teil aus dem VW-Baukasten

Doch bei der Plattform endet nicht die Kooperation: Auch innen finden sich viele Teile, die man aus Stromern der Wolfsburger kennt, etwa das Fahrer-Display hinter dem Lenkrad oder auch den kleinen Einstellhebel für die Außenspiegel in der Fahrertür und die Fensterheber. Gleiches gilt auch für die Touch-Flächen am Lenkrad, die zwar passend zum Ford-Design gezeichnet sind, in ihrer Funktion aber den VW-Lenkrädern gleichen.
Das alles muss nicht von Nachteil sein, denn gegen die MEB-Plattform gibt es wenig einzuwenden, und die VW-Software funktioniert mittlerweile durchaus gut. Es gab keinerlei Abstürze, und die Geschwindigkeit beim Hochfahren ist vorbildlich. VW hat hier enorme Schritte nach vorne gemacht.
Doch ist der Explorer nur ein Abklatsch des ID.3 oder ID.4? Mitnichten. Denn Ford legt ihn längentechnisch so an, dass er mit 4,47 Meter genau zwischen die beiden Konkurrenten ID.3 (4,27 Meter) und ID.4 (4,58 Meter) passt. Beim Radstand von 2,77 Metern herrscht indes Gleichstand zwischen den dreien. Dennoch bietet der Explorer auf allen Sitzen kommode Platzverhältnisse, auch und vor allem im Fond, wo vier Personen es auch auf längeren Fahrten gut aushalten können.
Ford Explorer: Kein Abklatsch

Dahinter befindet sich ein Laderaum mit einer Größe von 532 Liter, der sich auf 1.460 Liter vergrößern lässt. Eine Abdeckung sorgt dafür, dass man Ladegut nicht über eine Kante wuchten muss. Unter ihr findet man Platz für Kleinkram oder Ladekabel. Unter der Vorderhaube ist eigentlich kein Platz für einen Frunk, doch als Zubehör kann man eine Plastikwanne kaufen, die sich über der Technik befindet und von einem Netz abgedeckt wird. Die Anhängelast beträgt 1.000 Kilo gebremst und 750 Kilo ungebremst, die Stützlast sowie die Dachlast 75 Kilo.
Alles in allem wird der Platz effektiv genutzt, und dank hoch aufbauender Karosserie mangelt es auch nicht an Kopffreiheit, zumal die Sitze sich weit nach unten fahren lassen. Von VW übernommen hat man auch die Technik bei der Fensteröffnung: In der Armlehne beim Fahrer finden sich nur zwei Tasten; mit einer dritten kann man auf die Fensterheber für die hinteren Scheiben umschalten.
Ford bietet drei Ausstattungsversionen an: Style, Select und Premium. Unser Testwagen ist mit der mittleren Ausstattung (Style gibt es ausschließlich in Verbindung mit der kleinen Batterie und 125 kW-Motor) bestückt und lässt es an Wohnlichkeit vermissen: Es gibt keinerlei Ambientebeleuchtung, und die Materialauswahl wird von sprödem Plastik in Grau und Schwarz dominiert. Das wirkt ein wenig trostlos.
3D-Durckvorlagen für das Staufach

Ablagen gibt es genug. Zwischen den Sitzen findet sich ein 17 Liter großes Fach, das auch 1,5-Liter-Flaschen aufnimmt. Für dieses Fach hat Ford Vorlagen für 3D-Drucker veröffentlicht, mit denen man die Ablage weiter individualisieren kann. Die Türtaschen hingegen fallen schmal aus, und das Handschuhfach ist winzig.
Gut gelöst hat Ford die Einstellungen bei der Rekuperation: Paddels am Lenkrad gibt es nicht, dafür erkennt das Fahrzeug selber die Situation und bremst vor einer Tempobegrenzung oder nahendem Verkehr eigenständig herunter. Wem das zu viel ist, der stippt das Strompedal kurz an, und der Explorer segelt wieder. Wer mehr Rekuperation möchte, kann den Ganghebel an der rechten Seite des Lenkrads (die Scheibenwischerbedienung ist nach links gerutscht) auf „B“ stellen; doch ein One-Pedal-Drive gibt es auch dann nicht.
Beim Fahren gibt sich der Explorer recht agil und sprintet sofort los, wenn man Strom gibt. Das Fahrwerk ist komfortabel ausgelegt, mit minimalen Wankbewegungen, Abroll- oder Windgeräuschen. Die Lenkung vermittelt einen guten Eindruck von der Straße. Grundsätzlich gibt es vier Fahrmodi: Normal, Eco, Sport und Individual. Nach dem Start (ohne Starttaste) ist „Normal“ aktiv. Zudem ist der Explorer erstaunlich wendig, denn der Wendekreis beträgt nur 9,7 Meter.
Erstaunlich wendig in der City

Ein Gimmick hat sich Ford beim 14,6 Zoll großen, senkrecht stehenden Monitor ausgedacht. Er lässt sich in drei Stufen nach oben oder unten verstellen, so dass er entweder mehr liegt oder mehr aufrecht steht. Letztere Lage gibt ein weiteres Staufach frei. Bei ersterer kann man das Fach auch als Geheimfach nutzen.
Gut gelöst hat Ford das Thema Euro-Klingeln. Zunächst kommt ein recht leiser Hupton recht spät, zudem lässt er sich gut überhören. Mit zwei Tastendrücken auf dem Monitor lässt er sich aber auch flugs abstellen. Gut aufgebaut hat man die Menüstruktur. Der Nutzer findet sich schnell zurecht, und die Bedienflächen für die einzelnen Funktionen sind groß, so dass man sie auch beim Fahren gut trifft.
Doch kommen wir zum Verbrauch und zum Laden, den wohl wichtigsten Disziplinen. Auf unserer Testrunde über 100 Kilometer sog der Explorer im Schnitt 15,5 kWh aus dem Akku, was angesichts seines doch eher klobigen Aufbaus beachtlich wenig ist. Damit hält er sogar die WLTP-Vorgaben (15,6 bis 14,7 kWh) ein. Mit Ladeverlusten maßen wir über die gesamte Testzeit einen Gesamtverbrauch von 19,1 kWh.

Beim Thema Laden haben uns diverse Software-Features besonders gefallen. Im E-Routenplaner kann man über zwei Slider sehr einfach festlegen, mit welcher Rest-Reichweite man am Ziel (10 bis 100 Kilometer) oder am Ladestopp (0 bis 60 Kilometer) ankommen will. Bei den Ladestationen kann man zwischen allen verfügbaren Ladestationen, dem Ionity-Netzwerk und jenen aus dem Ford-Netzwerk „Blue Oval“ filtern. Vorbildlich ist hingegen die mit nur zwei Klicks erreichbare Möglichkeit, die Batterie nicht nur automatisch bei aktiver Zielführung, sondern auch manuell auf Temperatur zu bringen.
Verbrauch: 19,1 kWh inkl. Ladeverlusten
Und der Explorer zeigt an, welche DC-Ladeleistung mit der aktuellen Batterie-Temperatur möglich ist, was beim aktuellen Ladestand mit optimaler Batterie-Temperatur möglich wäre und wie lange es dauert, um die Batterie in den optimalen Bereich zu bringen. Übrigens: Das alles können chinesische Modelle bislang nicht leisten.

Bei Temperaturen um 18 Grad benötigte der Akku bei einem Autobahntrip 22 Minuten, um die optimale Temperatur zu erlangen – was er bis zur Ladesäule auch schaffte. Somit schnellte die Ladeleistung nach dem Start schnell auf die Maximalleistung von 135 kW hoch.
Unter dem Strich schaffte der Explorer die Ladung von 15 auf 80 Prozent in 28 Minuten. Die durchschnittliche Ladeleistung lag bei 115 kW. An AC-Stationen lädt der Explorer mit maximal 11 kW; ein 22-kW-Lader wird nicht angeboten. Der AC-Ladestrom kann auf 5 kW begrenzt werden.
Werfen wir nun einen Blick auf Preise und Kosten. Der Explorer Long Range in der mittleren Ausstattungsstufe Select kostet 48.900 Euro. Mit Fahrerassistenzpaket und Wärmepumpe (immer als Extra/1.050 Euro) und Sitzpaket kommt unser Testwagen auf einen Endpreis von 54.450 Euro. Mit Premium-Ausstattung startet der Explorer bei 52.900 Euro, mit etwas Sonderausstattung werden so schnell 57.000 Euro Fahrzeugpreis daraus. Eher eine Nebenrolle im Verkauf spielen dürfte die Basisvariante Style, die es nur mit 52-kWh-Akku und 125-kW-Motor gibt.
Ein Schnäppchen ist der Explorer nicht

Zum Vergleich: Der von der Außenlänge gut mit dem Explorer vergleichbare Skoda Elroq 85 startet schon bei 43.900 Euro. Ausstattungsbereinigt fällt die Differenz zwar geringer aus als die 5.000 Euro beim Listenpreis, dennoch bleibt der Ford tendenziell teurer. Und auch mit dem 52-kWh-Akku unterbietet der Elroq 50 für 33.900 Euro den Explorer Standard Range (ab 39.900 Euro) deutlich.
Der Explorer ist also kein Schnäppchen. Bei den Kilometerkosten hat der ADAC speziell unser Modell noch nicht berechnet, doch mit Premium-Ausstattung kommt er als Long Range (Preis: 52.900 Euro) auf 76,5 Cent je Kilometer oder monatliche Kosten von 955 Euro. Zum Vergleich: Der Skoda Elroq 85 Sportline für 48.400 Euro kommt auf 68,5 Cent/856 Euro.
Fazit: Der Ford Explorer ist ein rundum gelungener Stromer, der sich kaum Schwächen leistet. Er ist sparsam, lädt wie versprochen und ist fahraktiv. Die (VW-)Software kann voll überzeugen. Der etwas triste Innenraum – geschenkt.
Lesen Sie auch das Test-Tagebuch zum Ford Explorer Extended Range
Ford Explorer Long Range Select – Technische Daten:
Fünftüriges, fünfsitziges SUV der Kompaktklasse mit 400-Volt-Architektur; Länge: 4,47 m, Breite: 1,94 Meter (mit Außenspiegeln: 2,06 Meter), Höhe: 1,64 Meter, Radstand: 2,77 Meter, Kofferraumvolumen: 532 -1.460 Liter, Frunk: k.A., Anhängelast: 1.000/750 kg (gebremst/ungebremst), Dachlast: 75 kg, Stützlast: 75.
Permanenterregter Synchronmotor, Leistung: 210 kW/286 PS, Vorderradantrieb, Drehmoment: 545 Nm, 0-100 km/h: 6,4 s, Vmax: 180 km/h, Akkugröße: 77 kWh, Reichweite: 564 km (WLTP), Ladeleistung: 135 kW (DC), 11 kW (AC).
Messwerte: Max. Ladeleistung AC: 11 kW, DC: 134 kW, Ladeleistung (Durchschnitt) 115 kW, Ladezeit von 15 auf 80 % SoC: 28 Minuten.
Verbrauch: 15,6 – 14,5 kWh (WLTP), Testverbrauch (inkl. Ladeverlusten): 19,1 kWh, Testrunde (100 km): 15,5 kWh, Reichweite: ca. 400 – 450 km.
Preis: 48.900 Euro, Testwagenpreis: 54.450 Euro.

Sparsam
Gute Raumausnutzung
Gute Reichweite
Gute Bedienbarkeit
Zurückhaltende Assistenten
Umfangreiche Software
Schnelles Hochfahren
Gutes Ladeverhalten

Etwas dröger Innenraum
Hoher Preis
Kein 22-kW-AC-Lader
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