Verbenner-Verbot

IfW-Studie: E-Autos fahren doch nicht sauberer

Eine Studie des IfW bescheinigt dem Elektroauto keinen Umweltnutzen. Man vergesse in der Bilanz den steigenden Strombedarf.

Die Frage, ob Elektroautos umweltfreundlicher sind als Autos mit Verbrennungsmotor ist so alt wie das Elektroauto selbst, zumindest seit es wieder eine Alternative wurde. Diese Alternative ist derzeit dabei, den Fahrzeugmarkt umzukrempeln und stattliche Stückzahlen zu erreichen. Während die Neuzulassungen bei Verbrennern seit dem Corona-Ausbruch in den Keller sinken, klettern die der Stromer weiter.

Während seit März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rund 67 Prozent weniger Diesel und Benziner zugelassen wurden, stiegen die Verkäufe von E-Autos. Bereits im Mai wurden schon wieder mehr rein elektrische Fahrzeuge zugelassen als im Vorjahresmonat: 14.335 neue Elektroautos – ein Zuwachs von 23,2 Prozent, so der Marktbeobachter Dataforce.

Das IfW widerspricht zwei Studien

Umso drängender also die Frage nach der Umweltbilanz, die auch Herstellung und Verwertung einbezieht. Zuletzt machten zwei Studien des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung und des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung von sich reden, die den Elektroautos auch beim derzeitigen Strommix eine positive Umweltbilanz attestieren.

Elektroauto
Es wäre sinnvoller, grüne Energie ins Netz einzuspeisen, als E-Autos damit zu laden, so das IfW. Foto: pixabay

Dem widerspricht nun das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Diese Studien vernachlässigten einen ganz entscheidenden Faktor: den steigenden Stromverbrauch. Bei einer vollständigen Umstellung auf Elektromobilität allein im deutschen PKW-Bereich würde der Strombedarf um fast 20 Prozent steigen. Im Vergleich zu einer Situation ohne Ausbau der Elektromobilität erfordere dies eine stärkere Verstromung fossiler Energieträger, wenn man davon ausgehe, dass die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien in beiden Fällen gleich hoch sein dürfte. Elektroautos führten damit zu 73 Prozent höheren Treibhausgasemissionen als moderne Diesel-Pkw. Der Grund: Es sei klimaschonender, mit erneuerbaren Energien den Anteil fossiler Energieträger – insbesondere von Kohle – im Strommix zu reduzieren, als damit Elektroautos zu betanken, so das Ergebnis der IfW-Studie.

„E-Autos fahren mit 100 % Kohlestrom“

„Elektroautos fahren heutzutage de facto mit 100 Prozent Kohlestrom“, sagt IfW-Forscher Ulrich Schmidt. „Denn der Anteil erneuerbarer Energie an ihrem Stromverbrauch steht nicht zur Verfügung, um fossile Energieträger an anderer Stelle zu verdrängen, und der erhöhte Strombedarf erfordert die zusätzliche Nutzung fossiler Energieträger.“ Schmidt hat in dem aktuellen Kiel Policy Brief „Elektromobilität und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation“ die Klimabilanz von Elektromobilität unter Berücksichtigung des steigenden Strombedarfs und des Strommixes überprüft. „Erst wenn die Energiewende weit fortgeschritten ist und der Strom nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Energien besteht, ist das Elektroauto klimafreundlicher als moderne Diesel-Fahrzeuge.“

Allein mit Personenkraftwagen wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt im Jahr 2018 insgesamt 630,84 Mrd. Kilometer zurückgelegt. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch eines Elektroautos von 15 kWh je 100 Kilometer ergäbe dies bei vollständiger Umstellung auf Elektromobilität nur im Pkw-Bereich einen Stromverbrauch, der 18,4 Prozent der Nettostromerzeugung in Deutschland entspricht, so Schmidts Analyse.

„Ein geschöntes Bild der E-Mobilität“

In den genannten jüngeren Studien bleibe der deutlich steigende Stromverbrauch unberücksichtigt und führe so zu einem geschönten Bild von Elektromobilität, die im Corona-Konjunkturpaket durch eine zusätzliche Kaufprämie besonders bedacht wurde. „Selbst wenn das Auto mit ‚eigenem‘ Solarstrom betankt wird, wie es eine der Studien empfiehlt, wäre es klimafreundlicher, diesen ins Stromnetz einzuspeisen und dadurch den Anteil an Kohlestrom zu reduzieren“, schreibt Schmidt. Schätzungen der EU-Kommission gehen auch im Jahr 2050 noch von einem Anteil fossiler Energieträger von rund 40 Prozent aus. Somit würden auch dann noch Elektroautos de facto mit 100 Prozent Kohlestrom fahren und Emissionen von ca. 300 Gramm CO2 pro Kilometer verursachen, wohingegen moderne Diesel-Fahrzeuge einer ADAC-Studie zufolge nur ca. 173 CO2 emittieren.

Der emissionstreibende Effekt der E-Autos im Verkehrssektor werde nur dank der Existenz des europäischen Emissionshandelssystems abgefangen. Durch dieses System sind die Gesamtemissionen des Energie- und Industriesektors nach oben begrenzt, während der Verkehr nicht enthalten ist. Erhöhen sich aufgrund der Elektromobilität die Emissionen im Energiesektor, wird dadurch eine Reduktion im Industriesektor erzwungen. Nur durch diesen Effekt könne die Elektromobilität derzeit zum Klimaschutz beitragen.

Institut kontert

Das Fraunhofer-Institut hat sich bereits gegen die Argumente des IfW zur Wehr gesetzt: „In einem kürzlich veröffentlichten Policy Brief postuliert das IfW, dass viele Studien (u. a. auch diese explizit genannte des Fraunhofer ISI) einen erhöhten Strombedarf durch den Ausbau der Elektromobilität unberücksichtigt lassen. Es wird weiterhin argumentiert, dass die Treibhausgasemissionen bei Elektroautos bei einem derartigen Ausbau um 73 Prozent höher ausfielen als bei modernen Diesel-Pkw und es umweltschonender sei, erneuerbare Energien zur Reduzierung der Verstromung von Kohle zu nutzen als damit Elektroautos zu betanken“, heißt es in der Stellungnahme.

Damit treffe die IfW-Studie eine Reihe von Annahmen, die das Institut und andere Forschungsinstitutionen nicht teilen und zudem vielen Forschungsergebnissen widersprechen. Die gesamte Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts ist hier zu lesen.

 

HM/Titelfoto: Adobe Stock

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