Bösen

Automarkt: Nichts ist mehr wie es war

Wie ich versuchte ein (Elektro-)Auto zu kaufen – und fast gescheitert wäre. Ein Erfahrungsbricht vom (neuen) Automarkt.

Die Welt ist nicht mehr dieselbe wie die von vor drei, vier Jahren. Erst Corona in 2020, dann der Krieg Putins gegen die Ukraine – zwei Ereignisse, nach denen nichts mehr so sein wird wie zuvor. Und die auch schon heute so manches durcheinander gewürfelt oder einfach ins Gegenteil verkehrt haben. So wie den Fahrzeugmarkt.

Wer einen Neuwagen bestellt, muss oft Monate warten und wird nicht selten auf einen späteren Auslieferungstermin vertröstet. Oder die Bestellung wird komplett storniert, wie jüngst aus dem Bekanntenkreis zu hören war – es handelte sich um ein Kompakt-SUV mit Hybridantrieb. Manche Hersteller nehmen für bestimmte Modelle in diesem Jahr keine Bestellungen mehr an, aus Angst den Auftrag stornieren zu müssen oder wegen der Unsicherheit beim Umweltbonus in 2023.

Normalerweise ist das Wunschauto schnell gefunden

Auch ich musste soeben erfahren, dass es nicht mehr so einfach ist, das Wunschauto zu bekommen. Geplant ist der Umstieg auf ein Elektroauto, und die Wahl fiel auf den Kia e-Niro in der höchsten Ausstattungsstufe Spirit. Dieser kommt zwar im Sommer in der neuen Modellgeneration. Da sich aber die Technik nicht groß ändern wird, haben wir uns für das alte Modell entschieden. Wer nicht exakt seine Wünsche bis ins Detail umgesetzt haben möchte und deshalb auf einem Neuwagen besteht, wird über die großen Suchmaschinen schnell fündig: Neuwagen am Lager, Tageszulassungen, junge Gebrauchte, Ausstattung – das alles lässt sich selektieren, und bislang hatte ich nie Schwierigkeiten, das „Wunschauto“ ohne oder mit wenig Kilometerleistung zu finden.

Das schien auch Mitte/Ende Februar der Fall zu sein. Der große Kia-Händler nahe Frankfurt am Main hatte eine gute Auswahl (so etwa 20 Einheiten) an Tageszulassungen vor Ort, was doch einigermaßen beruhigend war, um zu gegebener Zeit (Mai/Juni) ein passendes Fahrzeug finden zu können. Die Preise waren zwar auch zu dieser Zeit schon recht hoch, doch das hatten wir wegen der diversen Krisen erwartet.

Plötzlich sind alle Autos weg

Kia e-Niro
Gesucht: Kia e-Niro. Foto: Kia

Aus reiner Neugierde rief ich die Suche vor wenigen Tagen erneut auf – und von dem besagten Händler stand kein einziges Fahrzeug mehr zum Verkauf. Was war passiert? IT-Probleme? Insolvenz? Mitnichten, wie wir erfuhren: „Wir haben alle Fahrzeuge verkauft, und es kommen auch keine mehr nach vor der Modellumstellung. Tut mir leid“, lautete die lakonische Antwort des Verkäufers. Also im verbliebenen Bestand der Suchmaschine weiter gegraben, wobei bundesweit nur noch rund 8 bis 10 passende Kandidaten ausgewiesen wurden.

Also ran ans Telefon, der Kauf musste vorgezogen werden. Interessant: Ich habe einen jungen Gerbrauchten, den ich eventuell in Zahlung geben wollte. Und während wir vor nicht mal drei Jahren nur abwehrende Haltungen beim Thema Inzahlungnahme seitens der Händler zu hören bekamen („Verkaufen Sie den man lieber selber“), war das Interesse an dem Geschäft diesmal kaum zu überhören. Man werde das gerne machen, ich solle Bilder und Daten schicken. Das gipfelte in ein Telefongespräch mit einem Händler im Osten des Landes, der den in die Suchmaschine eingestellten und von uns ausgewählten e-Niro nur hergeben wollte, wenn er unseren Benziner im Gegenzug haben könne: „Ansonsten verkaufe ich den e-Niro nur hier in der Region, damit ich auch Werkstattgeschäft generiere“. Da blieben mir erst mal die Worte weg.

Verkauf nur bei Inzahlunggabe

Desgleichen bei einem Händler im Rheinischen. Als ich per Mail ankündigte, dass ich von einer Inzahlunggabe unseres Gebrauchten absehe, war auch der e-Niro nicht mehr zu haben. Ein weiterer Verkäufer sagte den Kauf telefonisch zu, rief aber 10 Minuten später zurück mit dem Verweis, dass kein Auto mehr vorhanden sei, und entschuldigte sich vielmals – diesmal glaubhaft; wir hatten eine Inzahlunggabe wegen der niedrigen Schätzpreise beim Erstkontakt schon gar nicht mehr angeboten.

Der Pfad meiner telefonischen Bemühungen war bald mit weiteren Absagen gepflastert, während der Bestand der zu vertretbaren Preisen angebotenen Autos schrumpfte. Schließlich wurde ich in Dresden fündig, wo man mir das angebotene Fahrzeug ohne Probleme verkaufte – und dazu noch eine Anhängerkupplung montieren konnte, was ebenfalls nicht mehr selbstverständlich ist, da Kabelstränge Mangelware sind, wie mir ein Telefonpartner erläuterte. Von Rabatten redet derzeit übrigens keiner mehr.

So bin ich also froh, am Automarkt fündig geworden zu sein, ein Gefühl, das ich so noch nicht kannte. Und das derzeit viele andere potenzielle Autokäufer kennen lernen. Wie gesagt: Nichts ist mehr wie es war am neuen Automarkt. Titelfoto: pixabay

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