Mild-Hybrid Hyundai Tucson

Der Scheinzwerg

Fahrbericht: Hyundai hat die Dieselpalette des Tucson mit Mild-Hybrid-Technologie aufgerüstet. Bringt das was?

Wer sich ein neues Auto zulegen will, hat mittlerweile so einiges abzuwägen. Soll es ein Diesel, ein Benziner oder ein E-Auto sein? Oder vielleicht Gas: Erdgas oder Autogas, monovalent oder bivalent? Neben der Verfügbarkeit der Kraftstoffe ist dabei freilich zu berücksichtigen, welche Einsatzprofile der Antrieb abdecken sollte. Vielfahrer werden sich selten für ein Elektroauto entscheiden, und diejenigen, die oft in Innenstädte fahren, überlegen es sich zweimal, einen Diesel zu ordern.

Apropos Diesel: Entgegen der Diskussionen vor nicht allzu langer Zeit sind die modernen Selbstzünder nicht automatisch Luftverpester. Erfüllen sie die Abgasstandards 6d-TEMP, dann halten sie nicht nur die Grenzwerte ein, gegebenenfalls filtern sie mehr Feinstaub aus der Luft als sie hinten abgeben. Und es sind noch schärfere 6d-Stufen geplant. Wäre es da nicht angesagt, diese mittlerweile sauberen Motoren mit einer elektrischen Unterstützung zu versehen, um sie noch sparsamer zu machen?

Ein Mild-Hybrid – was ist das?

Keine schlechte Idee, dachte sich wohl auch Hyundai. Die Koreaner haben die Dieselmotoren-Palette des Tucson mit sogenannter Mild-Hybrid-Technik ausgestattet. Herz dieser Technologie ist ein 48-Volt-Bordnetz, das als zweiten Stromkreis den Startergenerator mit bis zu 12 kW Leistung unterstützt. Dieser wiederum unterstützt den Verbrennungsmotor bei jedem Beschleunigungsvorgang mit eben jenen 12 kW. Die dafür notwendigen Energiereserven stellt eine Speicherbatterie unter dem Gepäckraumboden bereit, deren Kapazität 0,44 kW beträgt.

Mild-Hybrid Tucson Hyundai
Hyundai hat die Dieselmotoren-Palette des Tucson mit sogenannter Mild-Hybrid-Technik ausgestattet.

Für ein reibungsloses Zusammenspiel sorgt eine Steuerelektronik, die auch dafür sorgt, dass die Rekuperation den Energielevel des Akkus möglichst hochhält sowie den Motor nicht nur vor der roten Ampel, sondern schon beim Ausrollen abschaltet. Der Fahrer bekommt von diesen Vorgängen nichts mit, außer dass der Startvorgang an der Ampel kaum zu spüren ist.

Drei Modelle mit Mild-Hybrid

Hyundai bietet derzeit drei Modelle seines Dieselmotors mit Mild-Hybrid-Technik an: einen 1,6-Liter mit 85 kW und 100 kW sowie einen Zwei-Liter mit 136 kW und Allradantrieb. Letzterer stellte sich kurz nach dem Jahreswechsel in unserer Redaktion ein, versehen mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe und dem Ausstattungspaket Style.

Nun wissen wir ja, dass der Tucson ein durch und durch europäisches, wenn nicht gar deutsches Auto ist. Es beeindruckt mit einer reichhaltigen Ausstattung, guten Sitzen – und dem, was man von einem SUV erwartet: hohe Sitzposition und dadurch gute Übersicht als auch bequemes Ein- und Aussteigen. Er beeindruckt aber auch dadurch, dass er von außen kompakter wirkt als er eigentlich ist. So sind nicht nur auf den Vordersitzen die Räumlichkeiten üppig, auch hinten finden die Passagiere viel Bein- und Kopffreiheit. Der Tucson ist also eher das Gegenteil eine Scheinriesen: ein Scheinzwerg.

Übersichtliche Bedienung

Ein wenig mag dieser Eindruck von der doch etwas widerständigen Lenkung herrühren. Kann man viele andere SUVs quasi mit dem kleinen Finger lenken, so erfordert dies im Tucson etwas mehr Entschlossenheit, obwohl sogar zwei Lenkkraftprofile angeboten werden. Einen großen Unterscheid zwischen „Normal“ und „Sportlich“ konnten wir indes nicht feststellen. Zudem wunderten wir uns ein wenig über den Umstand, dass man über die Sprachbedienung keine Adressen in das Navigationssystem eingeben kann.

Mild-Hybrid Tucson Hyundai
Die Bedienung ist übersichtlich, der Monitor groß. Fotos: Hyundai

Doch genug genörgelt. Insgesamt fühlten wir uns im Tucson jederzeit wohl – und das auch auf langen Strecken. Maßgeblich dazu beigetragen hat die übersichtliche Bedienung sowie der große und exzellente Monitor. Der Motor ist durchzugsstark, kraftvoll und schön leise, das Getriebe gleitet wunderbar durch die sechs Gänge.

Und was bedeutet nun „EVAP“?

Zurück zur Abgasfrage: Der Tucson 2,0 CRDI 48V schafft nicht nur die 6d-TEMP-Norm, sondern auch die nächsthöhere Stufe, die das Kürzel EVAP trägt. Sie ist seit Herbst 2019 Pflicht und garantiert, dass auch die Kraftstoffverdunstung im Tank limitiert ist. Den Verbrauch des Fahrzeugs gibt Hyundai mit 5,7 Liter je 100 Kilometer an, was wir auf unseren Touren nicht erreichten. Ließen wir den rund 1.700 kg schweren SUV locker rollen und achteten auf den Verbrauch, dann genehmigte er sich 6,4 Liter. Auf einer langen Autobahntour mit Geschwindigkeiten um 140/150 km/h kam er auf 7,5 Liter. Im Schnitt errechneten wir 7,34 Liter, was für ein Fahrzeug dieser Größe nicht schlecht ist. Ob und welches Schärflein der Mild-Hybrid-Antrieb dazu beigetragen hat, lässt sich leider nicht nachvollziehen.

45,1 Cent je Kilometer

Bleibt der Blick auf die Kosten. Mit der Style-Ausstattung und einem Preis von 39.200 Euro bietet der Tucson schon recht viel Auto fürs Geld. Da aber der Preis eines Fahrzeugs nur Teil der Betriebskosten sind, haben wir diese ausgerechnet: Bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometer im Jahr kommt man bei dem erwähnten Durchschnittsverbrauch laut dem Rechner von autokosten.org auf Kilometerkosten inklusive Wertverlust von 45,1 Cent. Nutzt man den Tucson als Vielfahrerwagen und fährt 30.000 Kilometer, dann sind es 27,3 Cent.

Fazit: Ob der Mild-Hybrid in der Praxis etwas bringt, lässt sich kaum eruieren. Zumindest der Startvorgang an der roten Ampel geht schnell und fast geräuschlos vonstatten. Mit einem Verbrauch knapp über sieben Litern verfehlt der Kandidat aber das selbst gesteckte Ziel. 1,7 Tonnen verlangen halt nach einem Minimum an Energie. Die kann man nicht wegleugnen. HM

Hyundai Tucson 2.0 CRDI 48V Style – Technische Daten:

Fünftüriges, fünfsitziges Kompakt-SUV mit Front- oder Allradantrieb, Länge: 4,48 Meter, Breite: 1,85 Meter, Höhe: 1,65 Meter, Radstand: 2,67 Meter, Kofferraumvolumen: 513 bis 1.503 Liter.

Antrieb: 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel, 136 kW/185 PS bei 4.000 U/min, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 1.750-2.750 U/min, 0-100 km/h: 9,5 s, Vmax: 201 km/h, Normverbrauch: 5,7 l/100 km, Praxisverbrauch: 7,38 l/100 km, CO2-Ausstoß: 149 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-TEMP-EVAP, Preis: 39.200 Euro.

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